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Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd

Titel: Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
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jeden Fall«, sagte er und ließ sich auf keine weiteren Diskussionen oder Erklärungen ein, sagte nur immer wieder »ins Storyville, ganz klar«, und schließlich gaben Frank und Achim nach, und sie gingen ins Storyville. Auf halbem Weg schickte Frank die beiden voraus und ging zum Ausgleich für die entgangenen Fladenbrote in einen Imbiß am Sielwall auf eine Pita mit Gyros und Krautsalat.
    Er war auch ganz froh, kurz mal allein zu sein und nachdenken zu können, es war ja alles ziemlich schnell gegangen: am Morgen noch beim Bund, Stuben- und Revierreinigen und Völkerballspielen, am frühen Abend der Rausschmiß bei seinen Eltern und jetzt schon für hundert Mark im Monat Mieter eines Vier-Quadratmeter-Zimmers bei Martin Klapp und seinen Ex-Genossen, das war ziemlich viel für einen Tag, aber das gefiel ihm ganz gut. Wenn die Dinge schnell passieren, fallen sie einem leichter, dachte er, als er in dem brechend vollen Gyros-Laden stand und aufpaßte, daß ihn das dort versammelte Freitagabend-Amüsiervolk aus Schülern und Studenten einerseits und die Stammkundschaft aus Junkies und Pennern andererseits nicht aus der Schlange drängelte. Er wurde dabei von der wogenden Menge hin-und hergeworfen, es stank nach gebratenem Fleisch und erhitzten Körpern, aber heute machte ihm das nichts aus, schließlich wohnte er jetzt um die Ecke, gehörte quasi dazu, da sah er das nicht mehr so eng wie früher, als er sich im Ostertor/Steintor immer als Fremder gefühlt hatte, als Tourist gewissermaßen, das war jetzt vorbei, jetzt war das sein Gedränge und sein Gestank, so empfand er das jedenfalls, und das gefiel ihm. Aus der Neuen Vahr habe ich es jedenfalls schon mal raus geschafft, dachte er aufgekratzt, während er mit dem Selbstbewußtsein des Eingeborenen die Ellenbogen nach links und rechts einsetzte, um sich auf dem Weg zu Gyros und Krautsalat Vorteile zu verschaffen, und auch als er seinen Kram bekommen hatte, verließ er den Imbiß nicht, sondern stellte sich essend in eine Ecke, um dem ganzen Tohuwabohu noch ein wenig zuzusehen, dieser Mischung aus erwartungsfroher Aufgekratztheit beim einen und stumpfer Resignation beim anderen Teil des Publikums, die gefiel ihm gut, zwischen diesen beiden Stimmungen war er schließlich selber den ganzen Tag hin- und hergeschwankt.
    Dann hatte er aufgegessen und ging zufrieden hinaus auf die Straße. Zum Storyville war es nicht mehr weit, und leichten Schrittes ging er seinen Weg, bis ihn am Körnerwall, einer hufeisenförmigen Straße, die ein kleines Rasenstück einfaßte, an dessen anderem Ende Achim und Martin Klapp im Story-ville auf ihn warteten, ein plötzlicher Übermut überkam. Er verspürte auf einmal einen unbändigen Drang, sich körperlich auszutoben, etwas zu tun, was er sonst nie tun würde, sich sportlich zu betätigen, zu rennen, zu springen oder sich im Gras zu wälzen oder was immer möglich war, um seiner inneren Erregung etwas Erleichterung zu verschaffen, er wußte natürlich, daß das keine gute Idee war, das ist eine Scheißidee, dachte er, aber man kann sich ja nicht immer im Zaum halten, was ist das für ein Elend, wenn man nicht auch mal was tut, was man sonst nie tun würde, dachte er und nahm sich vor, quer über das kleine Rasenstück zu laufen und am anderen Ende, vor dem Storyville, über die kleine
    Hecke zu springen, das wird reichen, das bringt’s, dachte er, und mit einem Sprung über die diesseitige Hecke legte er los, es war ein mächtiger Satz, federnd kam er auf der Wiese auf und lief die paar Schritte über den kleinen Rasen, ganz ohne darüber nachzudenken, was die anderen Leute über ihn denken mochten, ist doch scheißegal, dachte er, während er über die kleine Wiese galoppierte, sollen doch denken, was sie wollen, die Deppen, dachte er, das ist meine Gegend jetzt, das ist mein Abend, und schon setzte er zum Sprung über die jenseitige Hecke an, gleich bin ich da, dachte er, der eine Sprung noch und gut, das war’s dann auch, dachte er und trat, sich der Weitsprungübungen im Schulsport erinnernd, fest und entschlossen mit dem rechten Fuß auf, um sich in die Lüfte zu schwingen.
    Leider sah er im Dämmerlicht des Sommerabends nicht, daß sich direkt vor der Hecke ein kleiner Graben befand, weshalb er natürlich mit einem früheren Auftreffen des Sprungbeins gerechnet und sich dementsprechend früh mit dem restlichen Körper in die Luft geworfen hatte, zu früh, wie er bemerken mußte, als sein Fuß, statt ihn vom Boden abzustoßen,

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