Neue Vahr Süd: Neue Vahr Süd
mit ihr streiten, dachte er, das bringt auch nichts, das prallt alles an ihr ab. Er nahm den Notausgang.
»Ich geh mal aufs Klo«, sagte er und stand auf.
»Kein Problem«, sagte sie und schaute lächelnd zu ihm hoch.
Das gibt Martin Klapp die Chance, sich neben sie zu setzen, dachte Frank, während er sich seinen Weg zum Klo bahnte. Wenn er nicht völlig verblödet ist, sucht er sich irgendeinen Vorwand, um aufzustehen und sich neben sie zu setzen.
Als er einige Zeit später wieder aus dem Klo kam, stand sie am Tresen und sah ihn an. Dabei war nicht auszumachen, ob sie dort auf ihn gewartet hatte oder sich bloß zufällig gerade jetzt einen neuen Drink holte. Genauso würde ich es auch machen, dachte Frank, der nun ernsthaft in Erwägung zog, daß sie sich für ihn interessierte, obwohl er keine Ahnung hatte, wie das angehen konnte, an mir ist nichts dran, dachte er, und ich finde sie auch nicht gerade toll, dachte er, ich habe nichts getan, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, soviel ist mal klar, dachte er, das bringt ja auch alles nichts, dachte er, am Ende verliebt man sich noch, und dann kommt da nur Kummer von, dachte er und schaute sich zugleich um, ob Martin Klapp irgendwo in der Nähe war. Er war nirgends zu entdecken. Sie stand mit dem Rücken zum Tresen, schaute ihn an und trank, ohne die Augen abzuwenden, auf ihre komische Art einen Schluck aus ihrem neuen Glas Rotwein. Frank ging zu ihr hin, das ließ sich gar nicht vermeiden, der Raum vor dem Tresen war zu eng, um sie zu ignorieren, und sie kam ihm auch ein paar Schritte entgegen, was hätte er also sonst tun sollen, das ist nun mal so, dachte er, da kann man sich nicht aus dem Weg gehen.
»Willst du auch noch Rotwein?« sagte sie. »Nein, ich bin ja auf Bier umgestiegen.« »Ja, aber dein Freund ist jetzt weg«, sagte sie. Sie stand jetzt direkt vor ihm, näher, als Frank es für normal hielt. Sie mußte den Kopf ziemlich weit nach hinten beugen, um ihm in die Augen zu sehen, so nah müßte sie nicht stehen, um sich mit mir unterhalten zu können, dachte Frank.
»Hm, weiß auch nicht«, sagte er. »Ich hab da noch Bier stehen.«
»Na dann«, sagte sie nur und rührte sich nicht, sah ihn nur an. »Dann sollten wir da vielleicht mal wieder hingehen.«
»Ja«, sagte Frank und spürte, daß ihm etwas schwindelig war.
»Das sieht ja wirklich schlimm aus«, sagte sie und tippte mit den Fingerspitzen gegen seinen rechten Arm. »Wie ist denn das passiert?«
»Ich wollte über die Hecke springen.«
»Welche Hecke?«
»Die da draußen, vor dem Laden.«
Sie lächelte ungläubig. »Ist da eine Hecke?«
»Ja«, sagte Frank und mußte lachen. »Aber nur eine ganz kleine.« Er beugte sich runter und zeigte mit der Hand über dem Fußboden, wie klein. Dabei berührten sich ihre Köpfe.
»Hoppla«, sagte sie.
»Ja«, sagte er. »Vielleicht sollten wir uns mal wieder hinsetzen. Ich hab auch ein bißchen was am Bein abgekriegt.«
»Ja«, sagte sie lächelnd, »vielleicht sollten wir das tun.« »Genau.« Frank humpelte voraus. Das letzte Mal, daß er mit einem Mädchen was gehabt hatte, war Monate her, und die Situation hier verwirrte ihn mehr, als er zugeben wollte.
Das Mädchen folgte ihm nicht. Als er bei den anderen ankam, saß Martin Klapp, wie von Frank vorausgeahnt und auch erhofft, in Franks Sessel.
»Ich dachte, ich setz mich auch mal in den Sessel«, sagte er.
»Das ist sicher die gute Wahl«, sagte Frank und ließ sich neben Achim auf das Sofa fallen. Martin Klapp beobachtete ihn mißtrauisch.
»Wo ist denn Sibille?« fragte er vorwurfsvoll.
Frank zuckte mit den Schultern.
»Was weiß ich«, sagte er. »Auf dem Klo vielleicht?«
Er war müde. Es war alles ein bißchen viel für einen Tag gewesen.
»Hier, dein Bier«, sagte Achim und reichte es ihm.
»Danke«, sagte Frank. Er nahm das Bier, lehnte sich zurück und schloß die Augen.
»Ah, Platztausch«, hörte er Sibille noch sagen. Dann schlief er ein.
10. UMZUG
Am nächsten Morgen erwachte Frank sehr früh und konnte nicht wieder einschlafen. Das war Pech, denn als er die Augen öffnete, fand er sich bei Martin Klapp zu Hause und auf dem Fußboden wieder, zwischen vollen Bücherkartons und Bretterstapeln, die dort alles bedeckten, in voller Montur und zugedeckt mit einem alten Mantel. Es war nicht das erste Mal, daß er bei Martin Klapp übernachtete, und er wußte, daß es nicht ratsam war, hinunter in die Küche des Hauses zu gehen und sich einen Kaffee oder einen Tee zu machen,
Weitere Kostenlose Bücher