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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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erwachte.
    »Danke«, sagte er.
    Ollie zog nur die Schultern hoch.
    »Ich bleibe hier«, fuhr Beauty fort. »Das arme Tier ist endlich tot, aber sein Kadaver hält mich mindestens noch eine Nacht lang warm. Du musst gehen.«
    Ollie nickte.
    »Ich komme wieder«, sagte er.
    »Natürlich kommst du wieder.« Beauty starrte ihn durchdringend an, ein Abschiedsblick. »Geh jetzt.«
    Ollie marschierte gegen den Wind. Die wenigen Stunden Schlaf, die er gefunden hatte, konnten seine Erschöpfung nicht wettmachen, aber es war ein neuer Tag, und er ging weiter. Er stapfte ein leichtes Gefälle hinunter und einen steilen Hang hinauf. Dort musste er fast kriechen, so heftig wehte der Wind, so glatt war das Eis.
    Keine hundert Meter entfernt sah er, was ihm wie eine Vision vorkam: eine kristallene, senkrecht aufsteigende Eiswand, darin eine leuchtend rote Flamme, wie schwelende Glut, tief im Inneren des Eisberges. Die Mosischen Feuerhöhlen.
    Ollie begann bei diesem Anblick zu weinen, dicke, salzige Tränen, die sofort zu Eis erstarrten.
    Erstarkt durch das Wissen, gerettet zu sein, ging er auf den Eisberg zu.
     
    Mit Mühe querte er die Westseite des Eisgletschers und erreichte endlich ein gläsernes Plateau, auf dem er dreißig Meter weit dahinrutschte. Er gelangte zur Kante einer Schlucht, die tief hinabreichte zu einer flammenden Vulkangrube. Ollie wusste nicht weiter.
    Seine Gedanken kamen nur zögernd. Er erinnerte sich endlich an die Griffe im Eis, die Jasmine ihm eingeprägt hatte, entdeckte eine Reihe von stoffumwickelten Sprossen, die an der Nordseite des Eiskamins hinabführten, offenbar zum Boden der flammenden Grube. Langsam stieg der Junge hinunter.
    Zweimal stürzte er beinahe ab, weil seine Kraft immer mehr nachließ. Je tiefer er kam, um so mehr wärmte ihn aber das Feuer, und bald wurde es heißer, als ihm lieb war. Irgendwo tief unter ihm quoll gurgelnd Magma.
    Gerade als er glaubte, die Hitze nicht mehr aushalten zu können, stieß er auf eine Öffnung im Eis. Der Gletscher schimmerte hier im Schmelzwasser, das immer wieder gefror. Ollie musste besonders vorsichtig sein, um nicht abzurutschen, das hätte bedeutet, in die Flammen zu stürzen.
    Er gelangte jedoch durch das Portal und ruhte sich dort einige Minuten zitternd und geschwächt aus. Als er wieder stehen konnte, stand er auf und blickte in einen engen Eistunnel. Er ging durch die durchscheinend weiße Enge, bis sie nach rechts und hinabführte. Ein kalter Kristallgang nach dem anderen, immer tiefer, immer kälter. Manchmal waren durch Eiswände, deren Dicke Ollie nicht zu schätzen vermochte, undeutlich pulsierende, orangerote Flammen erkennbar, manchmal stand dahinter nur Schwärze.
    Bis er endlich eine hell beleuchtete Kammer von höhlenartigen Ausmaßen erreichte. In der Mitte stand ein Mann. Ollie ging auf ihn zu.
    »Ich bin Leeds«, sagte der Mann. »Und wer bist du?« Er hatte mit keinem Mann Ähnlichkeit, den Ollie je gesehen hatte. Sein Körper war nach menschlichem Vorbild geformt, jedoch nur in groben Zügen, trotzdem aber wohlgebildet. Die Haut war durchsichtig wie brodelndes Wasser, so dass man beinahe Gehirn und Nerven sehen konnte. Das Gesicht besaß keine Züge, die Hände waren fingerlos, der ganzen Erscheinung fehlten deutliche Merkmale, wie einer halb zerschmolzenen Eisskulptur.
    »Ich heiße Ollie. Mein Freund Beauty, ein Zentaur, steckt im Bauch eines toten Mammuts, ein paar hundert Meter von hier. Seine Beine sind gebrochen. Er braucht Hilfe. Ich habe eine Nachricht für dich von meiner Freundin Jasmine, der Neurofrau.«
    Bei der Erwähnung von Jasmines Namen schien der andere aufzuhorchen.
    »Und wie lautet die Nachricht?«
    Ollie zog das Röhrchen aus dem Gürtel.
    »Das sind die Zellen eines Wesens von solcher Gefährlichkeit, dass es nicht am Leben bleiben darf. Jasmine hat mir aufgetragen, dir ein Wort mitzuteilen: Plasmid.«
    Als das Codewort ausgesprochen war, nahm das Wesen Ollies Hand in seinen Griff und führte den Jungen zu einer massiven Eiswand. Nach wenigen Augenblicken ging sie auf, und die beiden betraten die Eisstadt.
     
    Wie sich herausstellte, war Leeds ein Neurowesen. Hier gab es fast nur Neuromenschen. Viele davon waren Cognons – Neurogeschöpfe mit Elektroden in den kognitiven Gehirnzentren, die sie nach Wunsch anregen konnten. Die meisten waren, unter anderem, Genetikingenieure. Zwar gab es auch einige Roboter, die aber nur als Handarbeiter dienten.
    Die Stadt selbst bestand aus einer Reihe von Eisdomen,

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