Neue Zeit und Welt
drei Meter hohes, kegelförmiges Gebilde herum. Sie murmelten vor sich hin und reichten von Hand zu Hand eine Art Bündel, wobei ihre goldenen Armbänder und Edelstein-Halsketten klapperten und im Licht funkelten. Es fiel aber schwer, Einzelheiten zu erkennen, weil Licht nur von vielen Gefäßen kam, in denen Glühwürmchen blinkten und einen kühlen, unheimlichen grünen Lichtschein erzeugten. Beauty verfolgte das Schauspiel stumm.
Nachdem das Bündel herumgereicht worden war, hörte das Gemurmel auf. Die Versammlung wandelte in immer enger werdenden Kreisen um den hohen, schwarzen Kegel, dann schien ein Wesen nach dem anderen in der Nähe des Obelisken im Boden zu verschwinden. Bald war die Lichtung leer.
Beauty wartete fünf Minuten lang. Als nichts weiter geschah, trat er in den Kreis. Gleichzeitig erschienen aus anderen Richtungen D’Ursu und Aba auf der Lichtung. Sie gingen schweigend zum Mittelpunkt und blieben am Kegel stehen.
»Was ist das?« flüsterte Beauty.
»Ich habe so etwas schon einmal gesehen«, knurrte D’Ursu. »Eine Wechselbalg-Zeremonie des Geisterwelt-Gerichts.«
Aba nickte.
»Ich habe davon gehört, das aber noch nie gesehen.«
»Es war ein Menschenkind, das sie herumreichten, ohne Zweifel das des Trappers«, sagte D’Ursu zu Beauty. »Sie haben es eben gestohlen und eines von den ihren in die Wiege des Kleinen gelegt. Auf diese Weise wird einer von ihrer Rasse durch Menschen aufgezogen, kann spionieren und lernen.«
»Und was geschieht mit dem Menschenkind?« fragte Beauty.
»Niemand weiß es«, gab D’Ursu achselzuckend zurück. »Das ist das Geheimnis dieser Wesen.«
»Wir müssen das Kleine retten …« Beauty trat auf den Kegel zu.
D’Ursu hielt ihn zurück.
»Das ist nicht deine Sache, Beauté Centauri. Wir haben anderes zu tun.«
»Schwer zu ergründen, warum sie so grausam sein können«, sagte Aba. »Seiner Mutter einen Säugling wegzunehmen, auf derart berechnende …«
D’Ursu hob die Tatze.
»Hört auf, ihr beiden. Die kleinen Wesen tun das aus Selbsterhaltung, um sich vor den blinden Ängsten und dem Hass der Menschen zu schützen. Wir wissen auch nicht, was mit den kleinen Menschen geschieht – vielleicht leben sie ganz friedlich unter der Erde. Außerdem geht uns das nichts an. Damit haben wir nichts zu schaffen. Ich bitt’ euch, gehen wir in unser Lager zurück, damit wir unsere Suche fortsetzen können.«
Beauty tat es ungern. Er näherte sich dem großen Kegel, um ihn genauer zu betrachten. Bevor er ihn erreichen konnte, stieß er mit dem Huf an eine Steinkante im Boden. Er blickte hinunter und sah, dass ein grauer Steinring, sechzig Zentimeter breit, den Kegel, der in der Ringmitte aus der Erde aufzuragen schien, umgab.
Der Kegel selbst war am Sockel kreisrund, mit einem Durchmesser von fast zwei Metern, und lief nach drei Metern spitz zu. Beauty trat näher, um ihn in Augenschein zu nehmen. Er schien aus Eisen oder Stahl zu sein und schimmerte im Licht der Glühwürmchen matt, wie bereift. Beauty berührte die Oberfläche: hart und kalt. Unten an einer Seite schien ein eingesengter, dünner Riss zu sein, als sei hier einmal der Blitz hineingefahren.
Aba trat zu ihm. Sie gingen um das Gebilde herum.
»Was für eine Religion haben sie?« fragte Beauty.
Sie blieben auf der anderen Seite des Objekts stehen und sahen in die Außenfläche eine Anzahl von Runen eingeritzt. Zuerst kam ein großes Rechteck, das dreizehn Zeilen enthielt, und in der oberen linken Ecke ein kleines Quadrat mit einer ganzen Gruppe von Sternen. Darunter standen andere Zeilen, die Beauty wie Schrift erschienen. Aba hob eines der Gefäße voll Glühwürmchen und las vor: »›United States of America. U.S.A.F.‹« Und darunter: »›MX Missile. Group F. Silo 147.‹«
»Du kannst lesen!« Beauty starrte Aba erstaunt an. »Was heißt das?«
»Ich weiß es nicht genau.« Aba schüttelte den Kopf. »Als ich bei Lon studierte, erwähnte er einmal diese ›United States of America‹. Es war ein altes Königreich, glaube ich. Vor der Geburt der Tiere.«
Beauty zuckte zusammen. Erst vor einigen Jahren hatte er – durch Jasmine – erfahren, dass die meisten Menschen, die jetzt auf der Erde hausten, die Folge von Experimenten auf dem Gebiet der Gentechnik waren, nur an die zweihundert Jahre alt. Vorher hatte er immer geglaubt – und etwas in ihm glaubte immer noch daran –, dass die Zentauren eine uralte Rasse seien, älter als die Menschen, so alt wie die Bäume. Noch immer war
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