Neue Zeit und Welt
du?«
»Mein König«, sagte D’Ursu Magna. »Ich möchte fort.«
Jarl blickte auf seinen Unterführer hinunter.
»Macht dir der Doge Angst?«
»Nein, mein König. Ich möchte unseren alten Freund Beauté Centauri auf einer Suchfahrt begleiten. Er hat mich um meine Hilfe gebeten.«
»Wer ist dieser Zentaur, und was sucht er?« fragte der alte König skeptisch.
»Ihr erinnert Euch, Euer Exzellenz. Er kam mit seinem Menschenkameraden vor vielen Jahreszeiten durch unseren Wald und suchte seine Menschenfrau. Es wurde entschieden, dass sein Zug zu Recht erfolgte.«
Jarl nickte, während er sich zu erinnern versuchte. Langes Gedächtnis war keine Tiereigenschaft.
»Menschen sind im großen und ganzen die niedrigste Tierform«, warnte er. »Ich halte es für besser, wenn du hier bleibst.«
»Ich habe nicht viele Menschen zu Freunden«, bestätigte D’Ursu. »Aber dieser Mensch, der mit Beauté Centauri ritt – von ihm haben wir gelernt. Aus diesem Grund möchte ich Beauté jetzt helfen, ihn zu finden. Überdies ist Beauté Centauri mein enger Freund und ein Tier von hoher Tugend. Er hat mich um Hilfe gebeten. Außerdem fürchte ich, meine Lebensgeister zu verlieren, wenn ich noch lange in dieser Stadt bleibe.«
Jarl blickte in das sonnenglänzende Wasser.
»Ich erinnere mich undeutlich an den Menschen, der durch unseren Wald kam. Ein Schreiber, glaube ich. Er roch nicht nach Täuschung oder Menschenkrankheit. Er hatte Tugend, für einen Menschen. Vielleicht ist ein Mensch im Wald eher ein Tier als ein Tier in der Stadt. Du fürchtest also, deine Lebensgeister zu verlieren, wie? Ich fürchte, wir werden alle ganz wirr, so wie wir hier eingesperrt sind. Wir sind einmal freie Tiere gewesen, D’Ursu Magna, eins mit dem Großen Wald. Um unsere Freiheit zu bewahren, bin ich ein Tyrann geworden, meine Tiere wurden Sklaven einer Idee. Wie menschlich wir werden! Ja, geh nur, D’Ursu. Geh mit deinem Freund. Freundschaft ist das einzige Gute, was den Menschen je eingefallen ist. Aber komm bald wieder und bring uns vom Wald etwas mit, damit wir nicht vergessen, wer wir sind.«
D’Ursu stampfte durch die Nebentür des Vampir-Bordells hinein. In jeder Stadt gab es eine stabil bleibende Vampirbevölkerung, deshalb gab es auch in den meisten solche Bordelle, in denen Menschen beiderlei Geschlechts ihr warmes Blut an durstige Vampire verkauften, die bezahlen konnten. D’Ursu gab dem Pförtner ein Trinkgeld und wurde zum Ende des Flurs gewiesen. Langsam ging er durch den dunklen Korridor.
Entlang des Flurs standen die meisten Türen offen. Im Vorbeigehen warf D’Ursu Blicke hinein. Manche Zimmer waren leer. In einem anderen schlief ein nackter junger Mann friedlich, den Hals blutumkrustet. Anderswo saugte ein gelbhäutiger Vampir lasziv an der Schenkelvene einer muskulösen Frau, die dazu stöhnte und leise fluchte.
D’Ursu schüttelte den Kopf und ging weiter.
»Menschen«, knurrte er.
Die Tür des letzten Zimmers war geschlossen. Er klopfte, und seine große Tatze öffnete die Tür. Im Zimmer saßen zwei Gestalten. Auf einem Stuhl in der Ecke war ein kräftiger junger Mann im Begriff, eine kleine Wunde am linken Handgelenk zu verbinden. Auf dem Bett saß ein schlanker, gutaussehender, bleicher Vampir, der eine Tasse Blut an die Lippen hob. In dem ungeheizten Raum dampfte das Blut leicht.
»Aba … entschuldige …«, sagte D’Ursu. Er wollte umkehren, aber der Vampir auf dem Bett hob die Hand.
»Nein, bitte, komm herein, D’Ursu Magna«, sagte der Vampir. »Ich bin gerade fertig.« Er leerte die Tasse in langen Zügen und drehte dabei um der Züchtigkeit willen den Rücken zur Tür. D’Ursu wandte sich ebenfalls ab, weil der Vampir sichtlich verlegen war. Der Vampir stellte die leere Tasse hin und machte eine Handbewegung zu dem jungen Mann auf dem Stuhl hin, der aufstand und wortlos das Zimmer verließ.
D’Ursu trat ein und schloss die Tür. Er und der Vampir entblößten voreinander die Hälse.
»Verzeih, Aba, ich wollte eigentlich nur klopfen und –«
»Schon gut, D’Ursu. Wie kann ich dir helfen?«
Sie saßen einander auf dem Bett gegenüber.
»Vielleicht ist das für uns beide von Gewinn. Ich gehe mit einem Freund – Beauté Centauri – in die Stadt ohne Namen. Das ist der Zentaur, der mit deinem Lehrer befreundet war.«
Abas Pupillen weiteten sich.
»Er kannte Sire Lon gut, dieser Zentaur?«
»Lon starb, als er Beauté Centauris besten Freund – einen Menschen – auf den Wällen der
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