Neue Zeit und Welt
es quälend für ihn, diese Geschichte zu leugnen, obwohl er wusste, dass er nicht anders konnte.
D’Ursu kam herangetappt.
»Ich habe die Stelle gefunden, wo sie im Boden verschwunden sind. Da.« Er zeigte ihnen eine Linie im Stein, innerhalb des Rings, der den Kegel umgab. Sie bezeichnete den Rand einer dicken Tür, die in die Erde hineinführte und erkennen ließ, dass sie vor kurzem geöffnet und wieder geschlossen worden war. »Wenn du sie jagen willst, musst du hier anfangen. Was mich angeht, lege ich mich wieder schlafen.«
Der alte Bär stapfte zurück zu ihrem Lager.
Beauty zögerte noch eine Minute, Aba hinter sich. Schließlich gingen auch sie davon, in der grauschimmernden Nacht zur See.
Am nächsten Morgen machten sie sich früh auf den Weg, Beauty düster, Aba versonnen, D’Ursu heiter. Der braune Bär sprang am Strand dahin, jagte mit Gebrüll die Schnepfvögel auf und lachte dröhnend, wenn sie angstvoll davonflatterten.
Gegen Mittag stießen sie auf einen umgekippten Karren; dahinter standen drei argwöhnische Menschen, zwei davon mit Speeren in der Hand.
»Kommt nicht näher«, rief einer der Männer und hob die Waffe.
»Wir wollen euch nichts Böses!« schrie Beauty zurück. »Wir ziehen nach Süden! Können wir euch helfen?«
»Du und deinesgleichen nicht! Lasst uns in Ruhe!« brüllte der andere Mann.
»Gehen wir«, brummte D’Ursu. »Eine Aufforderung genügt mir.«
»Ich verstehe etwas von Heilkunst«, rief Aba. »Wenn einer von euch krank ist …«
»Scher dich weg, Scheusal!« schrie der erste Mann.
Aba zuckte zusammen, weit mehr verletzt, als wenn der Mann seinen Speer geschleudert hätte. Er wusste, wie Menschen zu seiner Art standen; er begriff ihren Hass und bereute die Sünden seiner Rasse jeden Tag, beim Tun wie beim Denken.
»Wir wollen euch wirklich nur Gutes«, sagte er zu dem Mann.
Der dritte Mensch stand nun auf, und sie konnten sehen, dass es sich um eine Frau handelte. Sie flüsterte dem Mann etwas zu; die beiden Männer schüttelten die Köpfe. Sie flüsterte drängender, und wieder lehnten die Männer ab. Schließlich drehte sie sich zu Aba herum, und es war plötzlich erkennbar, dass sie einen Säugling auf den Armen trug – dieses Kind konnte kaum eine Woche alt sein.
»Mein Baby«, rief sie. »Er war so glücklich und laut – die ganze Zeit hat er gelacht. Und plötzlich ist er ganz blass geworden, er isst nichts und gibt keinen Ton von sich, beinahe so, als wäre er nicht mehr derselbe Junge – so verändert hat er sich.«
Einer der Männer versuchte sie wegzuziehen, aber sie riss sich los und sagte zu Aba: »Könnt ihr nichts für ihn tun?«
Aba, Beauty und D’Ursu sahen einander an; sie wussten nicht, was sie sagen sollten. D’Ursu scharrte mit dem Fuß im Sand, kratzte sich am Ohr und ließ plötzlich ein lautes Brüllen hören, das die armen Menschen noch mehr erschreckte.
Schließlich sagte Aba: »Ja, ich will euch sagen, was ihr tun müsst. Macht einen Brei aus Fischrogen, Brotkrumen und Milch, taucht den Finger hinein, und das Kind wird daran saugen. Gebt ihm Liebe, und es wird sie erwidern.«
Sie sahen einander stumm an. Schließlich ging Beauty um den umgestürzten Wagen herum und lief weiter in Richtung Süden nach Ma´Gas´, D’Ursu und Aba hinter sich, während die Frau weinte und ihnen dankte.
Kapitel 5
Worin D’Ursu
sich selbst hereinlegt und die
Unersättliche Stadt
ein paar Vettern vom Land
beinahe übers Ohr haut
N un gut, ich hatte eben unrecht«, brummte D’Ursu, als sie weit weg waren. »Woher sollte ich wissen, dass die Familie des Wechselbalgs uns mit Tränen kommt? Ich schwöre, das ist die grausamste Waffe, die der Mensch je erfunden hat.«
»Es ist nicht falsch geworden dadurch, dass wir die Mutter gesehen haben«, sagte Beauty mit tiefem Bedauern. »Wir hatten es gestern Nacht in der Hand, ihr Kind zu retten, und haben es nicht getan.«
»Mag sein«, sagte Aba, »aber wenn wir gestern Nacht ums Leben gekommen wären, hätten wir nicht mehr versuchen können, deine Leute zu retten.« Er sagte es, um sich selbst zu überzeugen wie auch Beauty.
»Dann haben wir selbstsüchtig gehandelt, wenn das unser Motiv war – und nicht bloß aus Unwissenheit.«
»Mach dir keine Vorwürfe, Zentaur. Die Wahl wurde getroffen, zum Guten wie zum Bösen. Wir wählen jeden Tag und müssen damit leben. Ich glaube, es ist Zeit, das hinter uns zu lassen.«
Beauty gab zu, dass daran etwas Wahres sei.
»Beauté
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