Neue Zeit und Welt
unbewacht.« Er ließ sich auf den Rücken fallen.
»Nun mal langsam, Bär«, sagte Beauty lächelnd. »Was ist mit den Vogelnestern?«
»Ich habe ein Emu-Ei in das Runian-Nest geschmuggelt, verstehst du? Wenn die dumme Henne ihre Jungen ausbrütet, findet sie drei Grünschwänze und eine grüne Brust! Was für ein Spaß!« Er hustete und gluckste.
Beauty wurde sofort ernst.
»D’Ursu Magna, das war kein guter Einfall. Wenn die Jungen ausschlüpfen, geraten die armen Vögel völlig durcheinander. Wie konntest du das tun, nachdem wir erlebt haben, wie furchtbar es war, als das Menschenkind ausgetauscht wurde?«
D’Ursu war plötzlich gereizt.
»Das ist doch nicht dasselbe. Diese Vögel sind noch nicht einmal geboren. Und außerdem passiert gar nichts, wenn sie ausschlüpfen. Das ist ein Spaß, nicht mehr. So etwas geschieht die ganze Zeit.« Sein Zorn verwandelte sich rasch in Schuldbewusstsein.
»Schäm dich«, sagte Beauty streng. »Du solltest einsehen, dass das ein dummer Streich war.« Er blickte Aba an.
Der Vampir nickte.
D’Ursu ließ ein wenig den Kopf hängen.
»Traurig genug, wenn man nicht lustig sein darf«, knurrte er. »Aber wenn ihr meint –« Er stand auf und trottete davon.
Die beiden starrten auf das Wasser hinaus.
Keine fünf Minuten waren vergangen, als sie es hörten: ein heftiges Flattern, dann Stille; wieder ein Flattern und Flügelschlagen. Sie standen auf und schlichen vorsichtig zu der Stelle, wo sie das Geräusch gehört hatten, im Gras tief geduckt, bis sie den Platz fanden.
D’Ursu lag regungslos neben dem Emu-Nest; neben ihm flatterte der Emu im Todeskampf, reckte sich plötzlich und starb vor den Augen von Beauty und Aba. Sie liefen zu dem leblosen Bären.
Der Kopf – und nur der Kopf – einer Quetzl-Viper hatte sich in D’Ursus Fuß verbissen, die Fangzähne tief im Fleisch der Hintertatze, der Schlangenkörper am Hals abgerissen. Beauty kniete vor D’Ursu Magna nieder. Der riesenhafte Bär atmete noch, und sein Pulsschlag war kräftig, aber er reagierte auf kein Stoßen.
»Er lebt«, sagte Beauty.
Mit großer Mühe zog Aba die Schlangenkiefer auseinander und die Zähne aus D’Ursus Fuß. Beauty riss eine Handvoll Rankengras aus dem Boden und band das Bein des Bären hoch oben ab. Dann schlitzte Aba mit seinen rasiermesserscharfen Fingernägeln D’Ursus angeschwollenen Fuß auf und bückte sich, um das Gift auszusaugen, das in der Wunde war.
Beauty untersuchte den Emu – tot, von der Viper in die Brust gebissen. Im Nest neben dem Muttervogel lag nur noch ein einziges Ei, hellgrün im Mondlicht. In der Nähe fand Beauty den Leib der Schlange, der im eigenen Todestanz noch langsam zuckte. Der Hals war aufgerissen, gleich daneben lagen drei eierförmige Klumpen der Reihe nach im Bauch der Schlange.
Es war Beauty jetzt klar, was geschehen sein musste. D’Ursu hatte das entwendete Emu-Ei zurückgebracht und entdeckt, dass in der Zwischenzeit eine Quetzl-Viper die Emu-Mutter getötet hatte und nach dem Verzehr von drei Eiern döste. D’Ursu hatte sein gestohlenes Ei zurückgelegt, die Viper zertreten und, auf dem Schädel stehend, den Leib abgerissen. Während er den enthaupteten Körper ins Gras geworfen hatte, war der halb zertretene Kopf im Tod noch herumgeschnellt und hatte sich in seinem Fuß verbissen, sein Gift ins Blut des armen Bären jagend.
Aba richtete sich auf.
»Kein Gift mehr. Wir lassen die Wunde noch bluten. Hilf mir, ihn auf deinen Rücken zu legen, Beauty.«
Gemeinsam mühten sie sich mit dem schweren Bären ab, bis er schlaff auf dem Zentaurenrücken lag. Aba band ihn mit Ranken fest.
»Ich kenne in Ma’Gas’ einen Arzt, der für vieles Gegenmittel bereithält«, keuchte der Vampir. »Wenn wir uns beeilen, kann er vielleicht noch helfen.«
Beauty nickte und stieg vorsichtig den Abhang hinab. Aba wollte ihm nachlaufen, blieb aber noch einmal stehen und schaute sich um. Er hastete zum Emu-Nest, nahm das einzelne Ei an sich, ging vierzig Schritte ins Gebüsch hinein und fand nach wenigen Augenblicken das Runian-Nest, wo die drei haselnußbraunen Eier unberührt lagen. Er legte das Emu-Ei rasch hinein und lief hinunter zu Beauty. Der arme D’Ursu hatte also doch recht gehabt, dachte er. Es war im Grunde gut gewesen, das Emu-Ei in ein fremdes Nest zu legen.
Sie erreichten Ma’Gas’ im Bleigrau der Stunde vor der Morgendämmerung, wenn eine Stadt am tiefsten schläft. Beautys Hufe klapperten unter dem Gewicht des Bären-Häuptlings
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