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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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auf dem Bretterweg, während Aba von Gasse zu Gasse huschte und nach dem Haus suchte, das er in der Erinnerung hatte.
    Licht sickerte in den Himmel; die Stadt begann sich zu regen. Seeleute setzten Segel oder wankten aus Tavernen. Verkäufer öffneten ihre Stände, kehrten die Gehsteige, legten ihre Waren aus, sangen, husteten und spuckten. Und plötzlich war ein neuer Tag im Gange.
    Aba fand die Haustür, die er suchte, auf halbem Weg in einer engen Gasse. Er hämmerte heftig daran, sein Beitrag zum morgendlichen Lärm, während Beauty langsam heranklapperte. Nach ungefähr einer Minute ging die Tür endlich auf, und ein weißhaariger alter Mann stand im Nachthemd vor ihnen und starrte sie blinzelnd an.
    »Was wollt ihr, zum Teufel?« krächzte er und löste damit einen Hustenanfall aus, der nicht aufhören wollte, bis er Aba einen großen Klumpen Schleim vor die Füße spuckte.
    »Unser Bärenfreund ist dem Tod nah – gestern Nacht hat ihn eine Schlange gebissen.«
    »Habt ihr die Schlange mitgebracht?« fuhr ihn der Alte an. Seine Haare standen in alle Richtungen, sein Körper war vom Rheuma verkrümmt. Er roch säuerlich.
    »Die Schlange?« wiederholte Beauty verständnislos – er war erschöpft, von der schweren Last, der Schlaflosigkeit, der seelischen Belastung. Sein Gehirn arbeitete nicht so, wie es sollte.
    »Die Schlange, ja, die Schlange«, kreischte der Alte. »Was hast du verstanden? Die Zange? Die Range? Idioten. Na, kommt rein, kommt rein, wir können uns an den Küchentisch setzen und raten, was ihn gebissen hat.«
    Der alte Arzt lachte meckernd und begann wieder zu husten, bis er erneut Schleim auf die Straße spuckte. Danach führte er sie in sein Haus und schloss die Tür.
    Im Zimmer herrschten Unordnung und Dreck. Beauty bedauerte sofort, hierhergekommen zu sein, und wollte wieder gehen, als der Alte D’Ursu die Verbände abriss und den bewusstlosen Bären auf einen langen Tisch kippte. Dann zog er die Roll-Läden an den Fenstern hoch, und im hellen Glanz des Tageslichts sah Beauty durch niedersinkende Staubwolken, dass es ein Küchentisch war.
    »Ich bin Doktor Jerome«, erklärte der reizbare alte Arzt, während er im Spülbecken in einem Stapel schmieriger, verkrusteter Töpfe kramte, auf der Suche nach irgendeinem Gegenstand. »Habt ihr Geld?«
    »Ja.« Beauty zögert. »Wir –«
    »Dann gib her. Was denkt ihr, wovon ich hier lebe – von der Wohltätigkeit meiner Nachbarn? Ich will dir sagen, du räudiges Ding, wie es ist – sie dulden, dass ich hier lebe, obwohl ich ein Mensch bin, ein mürrischer Kerl und ein bekannter Schreiber, weil ich sie gesund mache, wenn sie krank werden, und vom Erlös meine Miete bezahle. Gib her dein Geld.« Er stampfte mit dem Fuß auf.
    Beauty griff in den Lederbeutel, den er um den Hals trug, und gab den Großteil seiner Münzen hin.
    »Nicht viel«, murrte der Arzt.
    »Was den Bären angeht –«, begann Aba.
    »Und die Schlange habt ihr auch nicht mitgebracht!« wütete Jerome und hieb mit den Fäusten auf den Tisch.
    »Es war eine Quetzl-Viper«, sagte Aba. »Mit kurzen gelben Federn und –«
    »Eine Quetzl?« Dr. Jeromes Augen zwinkerten. »Ihr habt sie gesehen? Ihr wisst, was es war. Warum habt ihr das nicht gleich gesagt? Jetzt können wir uns doch unterhalten!« Er sprang im ganzen Raum herum, riss Schränke auf, warf Türen zu, hustete und führte Selbstgespräche. D’Ursu röchelte auf dem Tisch.
    Sie folgten dem Arzt in den Nebenraum, sein Arbeitszimmer, noch schmutziger als die Küche. Vom Boden bis zur Decke an drei Wänden zerlesene, verblasste Bücher. Der Staub auf den Einbänden schien hundert Jahre alt zu sein. Am Boden lagen Papiere, Laub, Stricke, Werkzeug, Schmutz, Fliesen und Bleistifte; man konnte den Boden selbst gar nicht sehen, geschweige denn darauf gehen. An der vierten Wand stand ein riesiger Schreibtisch mit einem Mikroskop, Stapeln von Papieren, Gläsern, Krügen, Pulvern, Prismen, dazwischen eine schlafende Katze. Dr. Jerome kramte minutenlang in dem Durcheinander, bevor er bemerkte, dass Beauty und Aba hinter ihm standen.
    »Immer noch da? Was, zum Teufel, habt ihr hier noch zu suchen?«
    »Wir wollten nur –«, begann Beauty.
    »Raus, hinaus mit euch! Wie, zum Teufel, soll ich arbeiten können, wenn mich dauernd Besucher stören. Idioten! Die Sprechstunde ist vorbei. Hinaus!« Er zeigte zur Tür.
    »Wann sollen wir …?«
    »Lasst euch ja nicht einfallen, vor morgen früh wiederzukommen! Bis dahin wissen wir so oder so

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