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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Kahn
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trauen, aber als Werkzeug musste er benützt werden.
    Unbewußt schaute Jasmine über die Schulter, als erwarte sie, die Höhlen würden grollend ihre Missbilligung bekunden. Ihr Schweigen wirkte aber noch bedrohlicher, ganz so, als seien Proteste ohnehin überflüssig.
     
    Jasmine wurde wach, als jemand ihren Arm umklammerte. Sie öffnete in der Dunkelheit die Augen. Neben ihr kauerte Schwarzwind.
    »Kommt«, flüsterte er.
    Sie stand sofort lautlos auf und sah, dass Ollie schon neben Schwarzwind stand. Sie tauschten Blicke, sagten aber nichts.
    Wie Gespenster huschten die drei durch die Höhle, Schwarzwind voran. Er führte sie durch Tunnels, in Schächten hinauf, durch Gesteinsspalten. Zweimal mussten sie unter Wasser schwimmen, einmal sogar für längere Zeit. Einmal kauerten sie zehn Minuten in einer feuchten Grube, um nicht von einer kleinen Schar der Genossen Schwarzwinds gesehen zu werden, bevor sie ungesehen in einem Loch im Fels verschwanden.
    Sie folgten einer Reihe von Korridoren, die immer tiefer hinabführten, bis sie endlich in einem seichten Wasserstrom an der Mündung eines großen Tunnels stehen blieben, wo der Fluss knietief rauschte. Die Tunnelöffnung war versperrt von einem Drahtgitter, das Schwarzwind aber mühelos wegschob, so dass sie durchsteigen konnten. An der Decke hing eine schwach leuchtende Glühbirne. Schwarzwind sah die beiden an und flüsterte: »Das ist Tunnel Zweiundzwanzig. In dieser Richtung sind Königin und Schlange zu erreichen.« Er nickte und trat in den Haupttunnel.
    An jeder Tunnelkreuzung bogen sie ab; links, dann rechts, links, wieder rechts. An jeder Kreuzung hing eine trübe Lampe, jeder Schacht war durch Zahlen oder Buchstaben markiert. Jasmine und Ollie spürten eine Flut der Erinnerung voll widersprüchlicher Strömungen, die sie in die Vergangenheit mitzureißen drohte, aber sie stapften weiter und zählten jede Biegung mit.
    Nach der zehnten Kreuzung wurde das Wasser viel tiefer, so dass sie bis zur Brust gegen die Strömung waten mussten. Sie kamen nur langsam voran. An der achtzehnten Kreuzung wurde der Wasserlauf aber wieder seichter. Sie machten Rast. Dort hörte Jasmine zum ersten Mal die Geräusche.
    Ollie hörte sie auch und schaute sich um.
    »Minotaurus?« murmelte er.
    Jasmine schüttelte den Kopf.
    »Kleiner. Schwarzwind, woraus bestehen die Tunnelwachen der Königin heute?«
    »Meistens aus Minotauren«, sagte er mit einem Nicken. »Ein paar Echsen, ein paar Gatoren, einigen Ghuls.«
    »Ghuls«, wiederholte Ollie.
    Die platschenden Geräusche kamen in irgendeinem Nebentunnel zur Ruhe. Man hörte nur das allgegenwärtige Rauschen des Wassers.
    Ghuls waren verrottende Menschen – tot, stinkend nach Fäulnis, bis ins Mark böse. Man konnte sie nicht ansehen, ohne grauenhafte Angst und Übelkeit zu verspüren.
    »Weiter«, sagte Jasmine. »Keinen Laut.«
    Sie gingen langsam, um kein Geräusch zu verursachen. Bis zur neunzehnten und zwanzigsten Kreuzung brauchten sie so lange wie zu den vorherigen fünf. Außerdem waren in diesem Bereich mehrere Lampen ausgefallen, so dass die Schatten dunkler wurden. Sie pressten sich an eine schlüpfrige Wand und warteten. Das Scharren, das sie verfolgte, kam näher. Sie trennten sich, standen geduckt, die Waffen gezückt. Aus dem nahen Seitentunnel näherte sich eine Gestalt. Ollie setzte zum Sprung an.
    »Ich bin hier, um mich euch anzuschließen«, sagte die Stimme, als die Gestalt ins Halbdunkel hinaustrat. Es war Sternekern.
    Ollie atmete auf. Jasmine richtete sich zornig auf.
    »Das hätte dich das Leben kosten können, uns so nachzuschleichen«, sagte sie.
    »Ich habe euch davonschleichen hören und wollte helfen. Ich unterstütze das, was ihr tut«, flüsterte der Anführer der Angestöpselten. »Ich kann die anderen nicht zwingen, mitzugehen, aber es muss etwas geschehen.« Er lächelte Schwarzwind schüchtern an, und sie machten das Anschlusszeichen, beide erfüllt vom ersten Hauch der Hoffnung.
    »Dann kommt«, sagte Jasmine und ging weiter.
    Bevor sie zwei Schritte getan hatte, wurde sie von einer Riesenmasse umgeworfen, die gleichzeitig Sternekern an die Tunnelwand klatschte. Es war ein Drachenschwanz.
    In einer Länge von sechs Metern war er neben ihnen halb im Wasser gelegen, und die schlafende Echse, im Schlummer gestört, glitschte ihren Tunnel hinauf und war verschwunden. Sternekern blieb mit zerschmettertem Brustkorb liegen.
    Schwarzwind schauderte und konnte den Blick nicht abwenden.
    Jasmine

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