Neue Zeit und Welt
niemals wirklich, wie Schwarzwind genau wusste – aber ihre Aufmerksamkeit war nun nach innen gerichtet, so dass sie ihn nicht wahrnahm. Er stemmte sich vorsichtig hinaus über den Rand und sprang lautlos auf den Fußboden. Die beiden anderen folgten ihm sofort.
Einen langen Augenblick starrten sie auf die Königin – um zu sehen, ob sie sie geweckt hatten. Dann huschten sie hintereinander auf Zehenspitzen wie Geister zehn Schritte zur Tür und verließen den Raum.
Sie sahen sich im Saal der Vereinigung: reihenweise Menschen, im Quasi-Koma liegend; schwarze Kabel von ihren Hinterköpfen zu Relaisschränken im Raum dahinter und von dort zur Königin im nächsten Zimmer; angeschlossen. Jasmine und Ollie waren starr von dem Anblick, konnten sich nicht bewegen. Schwarzwind konnte sich nicht mehr beherrschen.
Er blickte weinend auf seine Kameraden. Er stürzte auf die Knie und riss sich wahllos Haarbüschel aus. Er würgte schluchzend Luft in sich hinein. Er fiel nach vorn auf den elektrisch geladenen Maschendraht, der den Korridor, in dem sie sich befanden, vom Saal trennte. Es zischte und knisterte, dann stieß Jasmine ihn vom Gitter. Er war bewusstlos.
Sie prüfte seinen Puls.
»Er lebt und ist nicht verletzt.« Sie zogen ihn in eine dunkle Ecke.
»Lass ihn hier«, flüsterte Ollie.
Jasmine nickte. Sie wies mit dem Kopf auf die verkabelten Leiber.
»Da ist er nicht.« Sie meinte Joshua.
Ollie nickte und zeigte mit dem Kinn auf die nächste Tür. Sie standen auf und betraten den Nebenraum.
Hastig gingen sie durch ›Vorbereitung‹ und ›Nirwana‹. Im ersten Raum lagen Menschen in Glaskästen im Tiefschlaf; im zweiten Saal sah es ähnlich aus, nur waren hier die Menschen ohne Gehirne. Wo sich diese befanden, sahen sie in einem dritten Saal voller Glasflaschen und -kolben. Aber Joshua war nirgends zu sehen.
Der nächste Raum erwies sich als großes Labor. Er bot keine weiteren Hinweise, aber Jasmine raffte vieles zusammen, das in Zukunft nützlich werden mochte: Injektionsspritzen, Kabel, Batterien, eine Allzweck-Bioausrüstung, die Mikrotom, Wachs, Objektive, Zange, Brutapparat, Kulturgläser, Nährboden, Skalpelle enthielt; Transistoren, Stecker und Drähte, Kupferröhren. Sie stopfte alles in ihr verborgenes Bauchfach und klappte es zu. Ollie öffnete inzwischen andere Türen und blickte in die Räume hinein. Nirgends eine Spur von Joshua.
Schließlich kam er zurück.
»Ich habe die Menschenunterkünfte gefunden«, flüsterte er.
Zwei Türen, zwei Flure, eine weitere Tür. Er öffnete sie einen Spalt, und Jasmine spähte hinein. Käfige, vom Boden bis zur Decke; in jedem Käfig Menschen. Sieben, acht Meter entfernt saßen mitten im Raum zwei Neurowesen und zwei Vampire. Ein Neuromensch döste, seine drei Kameraden würfelten. Ollie schloss lautlos die Tür.
»Mittendrauf«, sagte er.
Sie überlegte kurz.
»Gut. Mir fällt nichts Besseres ein.«
Sie öffneten die Tür und waren im Saal, bevor der erste Vampir den Kopf hob. Ollie stürzte sich auf die Wesen, die nicht gefasst waren, die Flügel halb entfaltet hatten. Jasmine hetzte mit einer Spritze in der Hand auf den fassungslosen Neuromenschen zu.
Ollie erreichte die Vampire mit Blitzesschnelle. Im Vorbeigehen schlitzte er einem die Kehle auf. Dadurch fand der andere aber die Zeit, sich vorzubereiten. Er und Ollie wanden sich im tödlichen Kampf – Ollies Messer steckte im Leib des Vampirs, der Vampir hatte die Zähne in Ollies Hals geschlagen. Nach wenigen Augenblicken dampfte Blut.
Isis zuckte aus tiefem Schlaf hoch. Die Ohren zuckten, die Pupillen waren weit aufgerissen, sie atmete schwer. Joshua? Nein, aber ganz in der Nähe eine Witterung ähnlicher Art. Verwandtes. Sie sprang von Beautys Bauch herunter, wo sie geschlummert hatte, und reckte sich.
Ihre Rückenhaare sträubten sich, als sie zur Tür hinausschlüpfte, die Beauty für sie nur angelehnt hatte. Sie roch Erregung. Draußen im dunklen Flur hob sie den Kopf und schnupperte mehrmals, wandte sich nach links und eilte dem Geruch entgegen.
Wieder etwas von Joshua, demnach. Zuerst sein eigener Geruch. Sein ureigener an der langweiligen Königin. Dann war sein alter Kampfgefährte, der Zentaur, aufgetaucht. Nun dieser Brudergeruch – und es war ein Blutgeruch. Er führte sie näher zu Josh, das wusste sie. Bald würden sie wieder Zusammensein, und er würde sie lieben und für sie sorgen, wie sie für ihn. Der Blutgeruch wurde stärker. Sie huschte katzenschnell die nächste
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