Neues vom Erlengrund: Mias schwerster Ritt (Reiterhof Erlengrund)
sperrte sich dagegen.
»Rolf reitet sie«, erwiderte sie ausweichend. »Ich hab im Moment mit Tam mehr als genug zu tun. Der Ritt, du weißt ja. Und dann noch das Handpferdetraining mit Filina. Das nimmt unglaublich viel Zeit in Anspruch .«
»Verstehe«, sagte Sebastian leise. »Dann willst du also wirklich allein reiten ?«
»Ja«, nickte Mia. »Sonntag früh geht's los !«
»Ich wünschte, ich könnte dabei sein .« Traurig blickte Sebastian aus dem Fenster neben seinem Bett.
»Ja, das wäre cool. Aber es sind doch nur drei Tage, dann bin ich schon wieder da !« Mia strich ihm über das kurzgeschnittene Haar. »Dann werde ich dir alles haarklein berichten, okay ?«
»Das ist ja wohl das Mindeste !« Sebastian grinste. »Ich weiß gar nicht, wie ich‘s ohne deine Besuche aushalten soll .«
Mia lachte.
»Na, jetzt übertreibst du aber! Die Oberschwester hat mir verraten, dass du den Besuchsrekord auf der Station hältst. Es wird also gar nicht auffallen, wenn ich mal ein paar Tage nicht komme. Helmut hat sogar schon gedroht, er würde Pirouetta vor dein Fenster stellen, damit du schneller gesund wirst !«
Sebastian lachte, aber er wirkte nachdenklich.
»Pirouetta«, sagte er leise. »Ich würde sie wirklich gern sehen .« Er zögerte, bevor er weitersprach. »Du, Mia, ist da irgendwas, das dir Schwierigkeiten macht? Du erzählst nichts von ihr, du kümmerst dich nicht um sie ... Natürlich mache ich mir meine Gedanken, wenn ich den ganzen Tag nur rumliege und Löcher in die Luft starre .«
Mia senkte den Kopf und schluckte. Sie fühlte sich ertappt.
»Mia, ganz ehrlich«, sagte Sebastian. »Kann es sein, dass du Pirouetta die Schuld an dem Unfall gibst ?«
Mia schüttelte heftig den Kopf, aber Sebastian ließ nicht locker. Er kannte sie einfach zu gut.
»Du machst Piri für alles verantwortlich, stimmt‘s ? Bitte tu das nicht. Sei fair, Pferdemädchen! Es war ein Unfall, wie er jedem Reiter jeden Tag passieren kann. Pirouetta hat es nicht absichtlich getan .«
»Aber ich ...«, setzte Mia protestierend an.
Sebastian unterbrach sie.
»Ich bin froh, dass du den Ritt machst«, sagte er sanft.
»Das gibt dir Zeit, über alles in Ruhe nachzudenken. Über dich, über mich ... und über Pirouetta. Du musst mir nichts erklären, Mia. Ich kann dich sogar ein bisschen verstehen .«
»Wirklich ?« , fragte Mia unsicher.
»Ja, wirklich«, antwortete Sebastian. »Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Aber gib Piri eine Chance. Ich glaube, die hat sie verdient .«
Tief in Gedanken versunken verließ Mia das Krankenhaus. Sie hatte nicht gewusst, wie gut Sebastian sie inzwischen kannte und wie leicht er ihre Gefühle erriet. Sie war nur froh, dass er ihr keine Vorwürfe gemacht hatte. Im Gegenteil, er war sogar wahnsinnig verständnisvoll gewesen. Mia liebte ihn mehr als je zuvor.
Und er hatte recht. Sie würde sich die Zeit nehmen, die sie brauchte, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. In den vergangenen Tagen hatte sie oft das Gefühl gehabt, neben sich zu stehen. Als hätte sie den Bezug zu sich selbst verloren. Oft mochte sie sich selbst nicht mehr leiden. Sebastian hatte das erkannt und sie verstanden.
Sie wollte versuchen, über Pirouetta nachzudenken. Fair und ehrlich. Zumindest das war sie ihrem Freund und seinem Pferd, das ihm trotz allem so viel
bedeutete, schuldig.
Am Sonntagmorgen sprang Mia hellwach aus dem Bett. Sie schlüpfte in Reithose und Wollpullover, verabschiedete sich von Schneeflöckchen und griff nach dem kleinen Rucksack, den sie schon am Vorabend gepackt hatte. Als sie die Zimmertür schließen wollte, fiel ihr Blick auf das Foto von Sebastian und Pirouetta. Kurz entschlossen öffnete sie ihren Rucksack und schob das Bild hinein.
»Ihr kommt mit !« , sagte sie und hüpfte die Treppe hinunter.
Ihre Eltern brachten sie mit dem Auto zum Stall. Mia kuschelte sich tief in die weichen Sitze und schaute träumend aus dem Fenster auf die vorüberziehende Landschaft. Sie spürte ein Kribbeln im Bauch. Sie freute sich und war gleichzeitig schrecklich aufgeregt.
Der Reiterhof Erlengrund versteckte sich in leichtem Morgendunst. Die Pferdekoppeln rund um die Gebäude wirkten leer und verlassen. Seit es in den Nächten Bodenfrost gab, standen die Pferde nachts im Stall. Nur die robusten Ponys und Kleinpferde blieben draußen, doch selbst die hatten sich unter das Dach ihres Offenstalls zurückgezogen und dösten mit hängenden Köpfen dem beginnenden Tag entgegen.
Mia sprang aus dem
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