Neues vom Erlengrund: Mias schwerster Ritt (Reiterhof Erlengrund)
Wiehern in den beginnenden Tag. Im Nu waren Mias Bedenken wie weggeblasen. Es versprach ein wunderschöner Tag zu werden. Für sie, ihre Schimmel, Filina und Findus. Sie klopfte Tams Hals und neigte sich leicht zur Seite, um Filina die Stirn zu kraulen. Mit gespitzten Ohren trippelte die Kleine neben dem Lusitano her und beäugte erstaunt die Welt um sich herum. Mia
lächelte.
»Jetzt sind wir allein«, sagte sie und fühlte sich stark
und ziemlich erwachsen.
Sie hatte das Gefühl, mit den beiden Pferden und dem Hund vollkommen allein auf der Welt zu sein. Fast so, als ritten sie gemeinsam in ein Abenteuer oder in ein fernes, unbekanntes Land.
Findus lief weit voraus. Mit der Nase über dem Boden jagte er kreuz und quer über die Stoppelfelder. Aber er kehrte immer wieder zu Mia zurück, ohne dass sie ihn rufen musste. Der Mischling war ein erfahrener Begleithund. Es bestand keine Gefahr, dass er sich verlief oder wilderte.
Als Tam in einen leichten Trab fiel, ließ Mia ihn. Sie freute sich darüber, wie bereitwillig Filina dem Wallach folgte. Locker und entspannt setzte sie ihre Hufe auf und fand dabei noch Gelegenheit, ab und zu nach Zweig zu schnappen. Allerdings war das Holz trocken und die Blätter waren welk. Schon bald konzentrierte sie sich wieder ganz auf den Weg. Mia war stolz auf die Kleine. Mit viel Liebe und noch mehr Geduld war aus dem staksigen Fohlen ein zuverlässiges und vertrauensvolles Pferd geworden.
Als sie den Erlenwald erreichten, parierte Mia Tam durch und ließ ihn im Schritt gehen. Sie hatten viel Zeit und mussten sich nicht beeilen.
Tam streckte sich und kaute Mia die Zügel aus der Hand, bevor er die Nase senkte und zufrieden mit den Ohren bummelte. Mia hielt die Zügel locker in einer Hand und ließ sich von ihrem Traumpferd durch den stillen Wald tragen. Tam war ihr bester Freund. Sie konnte sich auf ihn verlassen. Auch Filina vertraute dem Grauschimmel. Ganz dicht stakste sie neben ihm her. Fast schien es, als würde sie sich gegen ihn lehnen, um sich zu überzeugen, dass er noch da war und auf sie aufpasste.
Mia seufzte. Sie wollte nicht an Sebastian denken. Sie wollte sich nur auf den schönen Ritt konzentrieren. Trotzdem flogen ihre Gedanken von allein zu ihrem Freund. Sie stellte sich vor, wie schön es wäre, gemeinsam mit ihm durch den Herbstwald zu reiten. Nur sie beide und ihre Pferde.
»Ach, Tam«, sagte sie leise. »Wieso ist manchmal alles so schrecklich schwer ?«
Sie seufzte noch einmal und vergrub ihre Hand in Tams Mähne. »Ich bin froh, dass es dich gibt !«
Der Lusitano schnaubte zufrieden und hob den Kopf. Mia spürte, dass er genug gebummelt hatte. Jetzt wollte er laufen und galoppieren und mit ihr davonfliegen. Doch Mia hielt ihn zurück.
»Nein, Dicker«, sagte sie bedauernd. »Wir müssen auf Fili Rücksicht nehmen.
Sie nahm die Zügel wieder auf und ließ Tam und Filina antraben. Über eine Stunde ritten sie so durch den bunt gefärbten Wald. Als Mia das nächste Mal auf die Uhr schaute, wunderte sie sich, wie schnell die Zeit vergangen war. Schon bald würden die ersten Gebäude des Trakehnergestüts Lindholm hinter dem Waldrand auftauchen. Die Felder und Wiesen, die den Wald umgaben, gehörten bereits zum Gestüt. Mia entdeckte Schilder, die Graf Barnholm hatte aufstellen lassen: Privatweg. Betreten verboten.
Mia lächelte. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie sich bei ihrem ersten heimlich Ritt durch den Wald geängstigt hatte. Heute lachte sie darüber. Die Schilder bedeuteten, dass sie bald am Ziel war.
Sie rief Findus und legte ihm eine Leine an. Sie wollte nicht, dass er durch den Wald lief und Wild aufscheuchte. Er musste respektieren, dass er sich in einem fremden Revier befand. Und das hieß, sich an Regeln und Vorschriften zu halten.
Eine Holzbrücke führte über einen schmalen Bach, der sich vom Reiterhof Erlengrund bis zum Gestüt schlängelte. Und endlich konnte Mia auch die ersten Gebäude erkennen. Das imposante Herrenhaus mit der gelb gestrichenen Fassade, die große Scheune und schließlich die langgestreckten Stallungen zu beiden Seiten der Gestütsanlage, die im milden Sonnenlicht zu schlafen schien.
Die weißen Holzzäune, die die Weideflächen für die Trakehner umgaben, strahlten in blendendem Weiß. Es war ein herrlicher Anblick. Mia ließ Tam und Filina anhalten, um ihn in Ruhe zu genießen.
Tam und Fili standen still und spitzten die Ohren, als
witterten sie die anderen Pferde. Mia zauste Filina liebevoll durch
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