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Neues Vom Watership Down

Titel: Neues Vom Watership Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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Augenblick nichts anderes tun, als sie zu beruhigen und ihr das Gefühl einer Sicherheit zu geben, das sie selbst nicht im mindesten verspürte. Sie erzählte ihr alle Geschichten, an die sie sich erinnern konnte, und brachte sie schließlich dazu, in der Wärme ihrer Flanke einzuschlafen. Bald fühlte sich Hyzenthlay selber schläfrig, kämpfte aber gegen jedes Einnicken an. Eulenrufe ertönten, der Mond stieg auf, und aus dem Gras kamen jetzt all die kleinen Nachtgeräusche: Geraschel, leises Gesäusel, kaum hörbares Tappen und ein schnelles Tzsch-und-weg, das vielleicht gar nicht dagewesen war, vielleicht nur vernehmbar gewesen war in einem Paar langer Ohren, die aufs äußerste angespannt lauschten. Sie betete mit aller Macht zu El-ahrairah, er möge sie beschützen, und versuchte sich vorzustellen, daß er inmitten der Mondlichtschatten in ihrer Nähe wäre.
    Wohl in keiner Nacht zuvor hatte sie jemals soviel Angst ausstehen müssen wie in dieser Nacht. Verkrampft lag sie da und versuchte, sich nicht zu rühren, um Nyreem nicht zu stören, und dabei kam ihr unwillkürlich alles in den Sinn, was sie je von elil gehört hatte – wie geräuschlos sie sich gegen den Wind bewegten, ihre Kaninchenbeute so still anpirschend, daß das ahnungslose Opfer erst merkte, was los war, wenn sich die Fangzähne in sein Fleisch bohrten. Sie hatte Würmer und Käfer in den Schnäbeln von Amseln zucken sehen und beobachtet, wie Drosseln die Häuser lebender Schnecken auf Steinen zerschmetterten. Würde es auch für sie so sein? Sie hatte auch aasfressende Käfer gesehen, die kleine Höhlen graben und ihre Eier dort hineinlegen, zusammen mit kleinen, toten Insekten, von denen sich die ausgeschlüpften Larven ernähren. Sie dachte an Fledermäuse und Eulen, die Nachtfalter und Mäuse jagen, ihre lebende Nahrung. Maulwürfe, wie sie wußte, würden sich unter der Erde auf Leben und Tod bekriegen, wenn sie sich in ihren unterirdischen Gängen begegneten. Waren Kaninchen die einzigen Geschöpfe, die nicht jagten und töteten? So kam es ihr in ihren trüben Gedanken vor. Woundwort hatte alles Erdenkliche getan, um Kaninchen zur Wildheit zu erziehen, aber am Ende hatte es ihm nichts Gutes eingebracht. Sie dachte an all die Efrafranier, die er in den Tod geschickt hatte, und wünschte sich von Herzen, sie hätte Woundwort jetzt neben sich liegen. Wenn das nicht die reine Verzweiflung war – was sonst?
    Das junge Weibchen neben ihr schlief fest. Wenn sie es nur heil ins Gehege bringen könnte, dachte sie, dann wäre ihre Beharrlichkeit, allein herzukommen, schon gerechtfertigt. Um das fertigzubringen, mußte sie allerdings selber am Leben bleiben, doch mehr als aufpassen konnte sie dazu nicht tun.
    Überrascht sah sie, daß der Mond fast untergegangen war. Sie war wohl eingeschlafen, ohne es zu merken, und nichts Böses hatte sich ereignet. Das gab ihr neuen Mut, und sofort besserte sich ihre Laune. El-ahrairah würde ein treues Kaninchen nie im Stich lassen, dachte sie.
    Doch nach einiger Zeit hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden, und im selben Augenblick teilte sich schon das hohe Gras, und da stand eine Ratte.
    Im schwindenden Licht des Mondes nahmen sie gegenseitig Maß, eine ganze Weile lang. Die Ratte war nicht sehr groß – doch groß genug. Sie war ganz offensichtlich auf Nahrungssuche. Auf ihren gefletschten Zähnen sah Hyzenthlay noch Fleischreste hängen. Die Ratte blinzelte ein paarmal, ließ ihre Schnurrhaare zucken und kam näher. Noch war sie unentschlossen.
    Hyzenthlay sprach zu ihr im Heckenjargon. »Junges Weibchen meins. Ich Mutter. Du kommen töten, ich dich kaputtmachen bis tot.« Instinktiv stellte sie sich auf die Hinterbeine, um der Ratte mit ihrer überragenden Größe und Höhe zu imponieren. Jetzt wurde Nyreem wach und fing an zu winseln.
    Hyzenthlay stellte sich zwischen Nyreem und die Ratte. Aber nun fiel eine gefiederte Masse, krallenbewehrt und nach Blut riechend, völlig geräuschlos aus der Höhe herab und war sofort, noch ehe sich Angst einstellen konnte, wieder mit der Ratte in ihren schrecklichen Krallen verschwunden.
    »Was ist passiert? Oh, was war das?« rief Nyreem und drückte sich ängstlich an Hyzenthlay.
    »Eine Eule«, erwiderte diese. »Ist schon wieder weg. Brauchst keine Angst zu haben, Kleines. Ich bin hier. Schlaf jetzt wieder.«
    Sie schlief selbst auch wieder ein und dachte noch in einer Art dumpfer Gleichgültigkeit, daß alles geschehen war, was überhaupt geschehen konnte,

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