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Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity

Titel: Neugier ist ein schneller Tod - Neugier ist ein schneller Tod - A Mortal Curiosity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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daran, das Tier mit weiteren Versprechen von Hühnchen zum Abendessen zu trösten. Unsere Unterhaltung war damit fürs Erste zu Ende.

10. KAPITEL
    Inspector Benjamin Ross
    Der erste Anblick des brandneuen Militärhospitals in Netley war ohne Zweifel beeindruckend. Das gewaltige Bauwerk aus rotem Ziegel war sicher fast vierhundert Meter lang und stand in einem viele Hektar großen Park direkt am Wasser. Wir stiegen vor dem prachtvollen Eingang aus und standen ehrfürchtig davor.
    »Ein richtiger Palast!«, meinte Sergeant Morris unübersehbar beeindruckt. »Und auf einem Anwesen, das eines Gentlemans würdig wäre. Ganz und gar nicht die Sorte von Hospital, wie wir sie in London haben, Sir, stimmt’s? Der Armee geht es gut, wenn Sie mich fragen.«
    Lefebre lächelte ihn an. »Glauben Sie mir, Sergeant, ein Hospital wie dieses hat sehr gefehlt, als wir auf der Krim in den Krieg gezogen sind. Wir wussten nicht, wohin mit unseren vielen Verletzten, und genau das hat die Regierung zum Bau dieses Krankenhauses veranlasst. Um in zukünftigen Konflikten gewappnet zu sein.«
    »Selbstverständlich unter der Annahme, dass es auch welche geben wird – mit ähnlich hohen Verwundetenzahlen«, warf ich ein.
    »Sie und ich sind Männer der Vernunft«, sagte Lefebre an mich gewandt. »Doch es gibt immer Mächtige, die eine Fahne schwenken und Männer in den Tod schicken, als Angelegenheit der Ehre und als Form von Politik. Als Polizeibeamter müssen Sie sicher mehr als einmal gesehen haben, wie sich zwei Kerle auf der Straße oder in einem Lokal gegenseitig zu Brei geschlagen haben, um eine Angelegenheit ›ein für alle Mal zu regeln‹. Das Dumme daran ist, Gewalt regelt nur selten irgendetwas ›ein für alle Mal‹.«
    »Sie sind ein Mann des Friedens, Dr. Lefebre!«, rief ich aus. Ich war höchst überrascht von der Wärme des Tons, in dem er sprach.
    Er hob die Schultern zu einem vielsagenden Zucken. »Ich weiß, dass das, was ich denke, nicht in Mode ist. Ich gestehe, dass ich zögere, freimütig über meine diesbezüglichen Ansichten zu sprechen. In den meisten Fällen würde man sie als unpatriotisch betrachten. Ich bin ein Patriot, doch ich bin zugleich ein Mann der Medizin. Ich trachte danach, Leben zu bewahren, und nicht, es zu vernichten.«
    »Aber Sie behandeln die Krankheiten des Geistes«, wandte ich neugierig ein. »Sie behandeln keine körperlichen Verletzungen.«
    Lefebre drehte den Kopf zu mir um und bedachte mich mit einem eigenartigen Blick. »Glauben Sie allen Ernstes, dass Geist und Körper voneinander trennbare Dinge sind? Dass das eine ohne das andere sein kann?«
    Mir wurde eine Antwort erspart, denn in diesem Moment tauchte ein großer Mann mit blonden, sehr kurz geschnittenen Haaren und einem prächtigen Schnurrbart auf. »Ah, Inspector! Wir sind höchst erfreut, Sie in Netley zu begrüßen! Mein Name ist Dr. Frazer, und ich habe die Untersuchung des Leichnams durchgeführt, den Sie zu uns haben bringen lassen.« Er schüttelte mir herzlich die Hand. »Sie haben Ihren Sergeant mitgebracht, wie ich sehe. Ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet. Und schön, Sie wiederzusehen, Dr. Lefebre. Kommen Sie herein, nur herein. Sie werden sicher begierig sein, unsere Arbeit zu begutachten. Aber keine Sorge, der Bursche rennt nicht mehr weg, oder?«
    Er wirbelte herum und marschierte in einem Tempo voraus, dass wir beinahe rennen mussten, um den Anschluss zu halten. Wir bewegten uns durch einen langen Korridor und vorbei an Männern auf Krücken, Männern mit Bandagen und auch Männern ohne Anzeichen irgendwelcher äußerer Verletzungen, die aus irgendeinem nicht sofort ersichtlichen Grund hier waren. Wir begegneten Krankenpflegern in weißen Kitteln, womit ich gerechnet hatte, und Krankenschwestern – womit ich nicht gerechnet hatte. Die Schwestern hatten einen Blick, der durch einen hindurchging wie ein Skalpell, und so viel Stärke inden Schürzen, dass sie beim Gehen raschelten. Es gab medizinische Paraphernalien jeglicher Art, und alles war brandneu. Es war ganz anders als das Chaos der Krankenabteilungen, die ich bisher zu Gesicht bekommen hatte, wo jede Oberfläche verschrammt und zerkratzt war und alles in eine Aura von Verzweiflung getaucht.
    Morris’ Gesichtszüge verrieten Respekt und Bewunderung. Ich nahm an, dass Mrs. Morris nach unserer Rückkehr nach London für eine Weile von nichts anderem mehr hören würde als von diesem unseren Besuch im Militärhospital von Netley. Allerdings hatte er das

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