Neugier und Übermut (German Edition)
den Reihen der Friedensbewegung in Deutschland beschert. Und er wünschte sich, seine Figuren sollten vor dem Gebäude der UNO aufgestellt werden.
Da stand schon die Bronzeskulptur »Schwerter zu Pflugscharen« des russischen Bildhauers Jewgeni Wutschetitsch, die Moskau 1959 den Vereinten Nationen geschenkt hatte. »Ziemlich verlogen«, sagte ich, »finden Sie nicht auch?« Tony Price stimmte mir zu. Und er erzählte mir seine Theorie einer vierten und fünften Dimension, wovon ich leider in meiner künstlerischen Ungebildetheit überhaupt nichts verstand.
Eines Tages schaute der Dalai Lama bei dem Atom-Künstler vorbei und bemerkte: »Tony Price ist sehr klug. Er hat etwas Sinnvolles gemacht aus etwas, das nicht sinnvoll ist.«
Aus mancher Figur spricht der Humor des Künstlers. Einer seiner Phantasiefiguren mit Drachenschwanz hat er eine Geschichte gegeben. Der wandernde Bettler, der das atomare Ende überlebt hat, heißt »Betteln für Plutonium«.
»Ich will nichts verharmlosen«, sagte Tony Price, »aber der Widerspruch zwischen Ästhetik und Vernichtung des Menschen soll dem Betrachter bewusst werden. Diese wunderbaren Klänge, geschaffen aus kostbaren Metallen des Erdreichs, läuten in Wirklichkeit als Todesglocken bei der Vernichtung des Menschengeschlechts.«
Der Psychiater. CIA-Gelder
und das Wahrheitsserum
Professor Ewen Cameron, eine Koryphäe seines Faches, war Präsident der American Psychiatric Association. Dann wurde er zum ersten Präsidenten der World Psychiatric Association gewählt. Und er war schon siebzehn Jahre tot, als ich seinen Namen zum ersten Mal hörte. Ich habe ihn also nie kennengelernt. Trotzdem will ich erzählen, was mir seine Patienten in Kanada über ihn berichtet haben. Denn ich habe nie vergessen können, was dieser hoch gerühmte Wissenschaftler kranken Menschen angetan hat. Aus ihren Zeugnissen habe ich, als Korrespondent in New York auch zuständig für die Berichterstattung aus Kanada, im März 1984 einen Film für die Sendung »Monitor« gedreht.
Der Schrecken, den diese Geschichte erzeugen sollte, ist zeitlos.
Was gut ist oder böse, wollen manche Menschen nicht unterscheiden.
Sie nehmen das Böse in Kauf, weil sie behaupten, für das Gute zu kämpfen. Zum Täter werden Menschen aus allerlei Motiven, aber die haben nichts mit ihrer Nationalität oder Herkunft, mit ihrer Religion oder Ideologie zu tun.
Gleich vorweg: Ewen Cameron war ein Psychiater, der im staatlichen Auftrag medizinische Versuche an Menschen machte und dabei deren Tod in Kauf nahm. Ich scheue nicht davor zurück, ihn mit dem KZ-Arzt Josef Mengele, genannt der Todesengel von Auschwitz, zu vergleichen. Mengele machte Menschenversuche im Namen der Nazis. Und Cameron wurde vom amerikanischen Geheimdienst CIA und der Kanadischen Regierung finanziell dafür unterstützt, Versuche an Menschen zu machen, mit grausamen Folgen. Beide – Mengele wie Cameron – waren Besessene. Menschenverachtende Wahnsinnige.
Mitten in Kanada liegt Winnipeg, die Hauptstadt von Manitoba. Von 1962 bis 1988 war David Orlikow dort Abgeordneter der New Democratic Party im nationalen Parlament in Ottawa. Er war verheiratet mit Vera Orlikow, die als junge Frau unter schweren Depressionen litt. Als geachteter Politiker suchte der Politiker nach der besten medizinischen Hilfe für sie und wurde auch schnell fündig.
Man empfahl ihm, seine Frau zum »Rabenfelsen« zu schicken, so hieß die Villa, in der die beste, berühmteste psychiatrische Anstalt von Kanada untergebracht war: Das »Allan Institute« der McGill Universität in Montreal.
Als ich das um 1900 gebaute Gebäude, in dem das Institut untergebracht war, zum ersten Mal sah, erinnerte es mich sofort an das Haus des psychopathischen Serienmörders Norman Bates in »Psycho«, dem berühmten Film von Alfred Hitchcock. Und das Wort »Rabe« lässt mich auch an Edgar Allan Poes Gedicht »The Raven« denken, das mit den Worten beginnt: »Once upon a midnight dreary … – Einst um Mitternacht furchterregend …«. Denn das passt zu dieser Geschichte.
Heilung von seelischen Störungen versprach sich im »Rabenfelsen«, wer das Geld dafür aufbringen konnte, von dem weltberühmten Chef des Instituts, Professor Ewen Cameron, behandelt zu werden.
Aber gibt Poes Rabe nicht stets die monotone Antwort: »Nevermore – Niemals.«?
Cameron wurde 1901 in Schottland geboren, hatte in Glasgow Medizin und Psychiatrie studiert, machte in den USA Karriere, wurde 1942 auch
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