Neugier und Übermut (German Edition)
er schicke gerade ein Team nach Finnland und ein anderes nach Ägypten.
»Ach, Ägypten kenne ich«, sagte ich ihm, »da bin ich als Student rumgereist.«
Das stimmte. Ich war drei Jahre zuvor mit dem Zug nach Piräus gefahren, hatte für dreißig Mark auf dem Deck eines sowjetischen Frachters eine Überfahrt nach Alexandria gekauft, war mit dem Bus und dem Zug bis Assuan gefahren und hatte es dann auf einer überfüllten Barke auf dem Nil bis nach Abu Simbel, letzte Station vor dem Sudan, geschafft, wo gerade die Kolosse des Memnos wegen des geplanten Stausees von Assuan umgesetzt wurden. Darüber erschien später mein Artikel in der ZEIT .
»Haben Sie nächste Woche Zeit?«, fragte mich Casdorff zu meiner Überraschung.
»Ja«, sagte ich.
»Dann könnten Sie mit dem Team nach Kairo fahren. Es ist immer gut, einen Ortskundigen dabeizuhaben.«
Zehn Tage später war ich in Kairo. Das Team sollte einen Bericht über einen deutschen Frachter drehen, der im Großen Bittersee, einem Seebecken im Suezkanal, lag. Dort saßen von 1967 bis 1975 vierzehn Frachtschiffe fest, die Ägypter hatten den Suezkanal wegen des Sechstagekrieges geschlossen und tatsächlich erst acht Jahre später wieder geöffnet. Am Ostufer des Suezkanals lagen die israelischen, am Westufer die ägyptischen Truppen.
Sieben Tage mussten wir in Kairo warten, bis wir eine Drehgenehmigung erhielten. Am achten Tag durften wir von einem der beiden deutschen Frachter aus auf dem Großen Bittersee drehen. Es war eine abenteuerliche Fahrt durch die gesicherten ägyptischen Linien. Und wir mussten bei Sonnenuntergang wieder zurückfahren.
Das Team hoffte auf noch einen zweiten Drehtag. Deshalb schickte mich der Redakteur Peter Laudan mit dem Filmmaterial schon einmal nach Hause zurück. Ich nahm ein Flugzeug nach Athen, fand dort eines nach Rom, landete irgendwann in Düsseldorf, fuhr mit dem Bus zum Bahnhof, mit dem Zug nach Köln und ging die wenigen Schritte zum WDR zu Fuß. Claus- Hinrich Casdorff saß an seinem Schreibtisch. Ich stellte die große Tüte mit dem Film- und Tonmaterial ab.
»Haben Sie sich vom Fahrer am Flughafen abholen lassen?«, fragte er. Nein, ich erzählte von Bus und Bahn. Um Gottes willen, das solle ich nie wieder tun. Ich würde die Sitten verderben. Ich hätte von Rom aus anrufen sollen und einen Fahrer bestellen.
Am nächsten Tag kam auch das Team zurück. Und ich hatte großes Glück. Peter Laudan muss ein gutes Wort für mich eingelegt haben. Denn Casdorff fragte mich, ob ich in der folgenden Woche mit einem Team nach Brüssel mitfahren könne. Es sei gut, wenn einer dabei sei, der Französisch spreche. Und auch da hatte ich wieder Glück, denn der Redakteur dieses Teams muss auch ein gutes Wort für mich eingelegt haben. Denn Claus- Hinrich Casdorff machte mir das Angebot, als regelmäßiger Freier Mitarbeiter einen Schreibtisch in einem Redaktionsbüro zu beziehen. Also: nicht täglich, sondern vielleicht jeweils zwei Wochen vor jeder Sendung. Dafür würde ich eine Pauschale von 1500 Mark erhalten. Das kam mir zupass. So viel Geld hatte ich noch nie in meinem Leben regelmäßig verdient. Und in den freien Wochen könnte ich tun, was ich wollte. Etwa für den Hörfunk schreiben. Oder einfach ausschlafen.
Journalist aber wollte ich immer noch nicht werden. Ich blieb nur wegen des regelmäßigen Einkommens. Ein richtiger Job würde sich irgendwann noch finden. Erst einmal schrieb ich ein Drehbuch zu dem Lied »Spiel nicht mit den Schmuddelkindern« von Franz Josef Degenhardt, traf ihn auch bei einem Konzert im Bahnhof Rolandseck, um seine Zustimmung für einen Dreh zu erhalten. Er sagte, ich müsse mich an die Plattenfirma wenden. Aus der Idee wurde nichts.
In München drehten junge Menschen, wie zum Beispiel Fassbinder, ganz »andere« Filme, und ich überlegte, ob ich nicht auch nach München gehen sollte. Aber auch daraus wurde nichts. Die Arbeit bei Monitor faszinierte mich immer mehr.
Am Anfang war ich das, was man einen Schlappenschammes, einen »geschickten« Diener nennt. Ich kannte das Handwerk ja auch nicht. Wenn es mir im Schneideraum zu langweilig wurde, fing ich an zu spielen. Ich nahm aus dem Filmabfall einige Streifen und fing an, wie bei einem Trickfilm Sprechblasen Bild für Bild hineinzumalen. Eine mühselige Arbeit. Aber lustig. Als ich eine kleine Szene fertig geschrieben hatte, klebte die Cutterin die Schnipsel zusammen und wir hatten einen kleinen, komischen Film von vielleicht zwei Minuten. Den
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