Neugier und Übermut (German Edition)
ein Referendariat bemühen, um Geld zu verdienen. Pustekuchen! Ich lieh mir Geld von Freunden und fuhr mit denen vierzehn Tage nach Verbier in den Skiurlaub.
Ich hatte keine Ahnung, wie mein Leben weitergehen sollte.
Es beunruhigte mich aber auch nicht.
Wir gehörten einer Generation an, die keine Angst hatte.
Dann erinnerte ich mich an Gert Kalow, der beim Hessischen Rundfunk das Abendstudio leitete. Ihn rief ich an: »Du hast doch zwei Wochenstunden Feature-Programm zu füllen. Kann ich dir nicht was schreiben?«
Er bat um drei Vorschläge und nahm einen an. Thema: Wie Bonn zur Bundeshauptstadt geworden war. Ich bat um einige Manuskripte als Muster, setzte mich an die Arbeit, recherchierte ewig lang, gut zwei Monate, brauchte sicher einen weiteren Monat, bis das Manuskript stand. Dann lief im Sommer 1968 die Sendung »Die Hauptstadt in der Provinz«, und ich erhielt 1500 DM Honorar. Bisher hatte ich von zu Hause 250 Mark im Monat erhalten und den Rest dazuverdient. Die Miete meiner Bude kostete 120 Mark. Ich fühlte mich wie ein reicher Mann. Es war das erfolgreichste Hörfunkfeature meines Lebens. Es wurde innerhalb weniger Monate von anderen Sendern sechsmal wiederholt. Dafür erhielt ich jeweils die Hälfte des ersten Honorars. Und immer wieder kam der Geldbote (den gab es damals noch, ich hatte noch kein Girokonto!) und brachte viele Scheine. Ich legte in meine Studentenbude ein Telefon und kaufte ein gebrauchtes VW-Cabrio. Ich war arriviert.
Dann rieten mir zwei Freunde in der Mensa, ich solle zum Fernsehen gehen. Da verdiene man noch mehr. Rolf Bringmann und Rüdiger Hoffmann arbeiteten an einer Sendung für Studenten, »Uni Audimax«, die im Dritten Programm des WDR lief. Chef des Dritten war Werner Höfer, berühmt wegen seiner Sendung »Frühschoppen« jeden Sonntag um 12 Uhr im Hörfunk. Rolf Bringmann, Rüdiger Hoffmann und ich trafen uns einige Jahre später wieder in der Redaktion Monitor. Bringmann, ein äußerst begabter und phantasiereicher Journalist entwickelte später für den WDR und die ARD intelligente Unterhaltungsprogramme, zum Beispiel »Mitternachtsspitzen«, Hoffmann wurde Programmdirektor bei Radio Bremen. Die beiden sagten also damals, ich solle zum Fernsehen gehen. Ja, aber wie kommt man da hin? Na, geh doch zum Fernsehdirektor. Das war damals beim WDR Hans-Joachim Lange. Ich erhielt sogar einen Termin. Als ich zu ihm kam, saß er in einem riesigen Büro an seinem Schreibtisch und unterschrieb Papiere in einer Mappe.
Er fragte mich: »Was wollen Sie?«
Ich trug eine lange Mähne bis auf die Schultern, hell-orangene Samthosen, oben eng, unten weit, und auf der Nase eine große Brille aus hellrotem Plastik. Ich sagte: »Sie müssen durch diese Brille schauen, dann wird sich Ihr Leben verändern!«
Er stand auf, trat an das große Fenster, setzte die Brille auf und schaute hinaus. Sein Leben änderte sich nicht. Er schüttelte den Kopf. Dumm gelaufen. Wir setzten uns.
Ich gab ein bisschen an: »Ich schreibe Features für den Rundfunk und würde gern auch fürs Fernsehen schreiben.«
»Wir machen aber doch Filme!«, antwortete er leicht gereizt.
»Na ja, aber irgendjemand muss doch Ihre Texte schreiben«, warf ich ignorant ein.
»Sie haben keine Ahnung vom Fernsehen!«, sagte der Fernsehdirektor. »Wir stellen auch niemanden fest ein. Aber vielleicht können Sie was lernen. Gehen Sie zu Claus- Hinrich Casdorff von Monitor, ich sage ihm Bescheid.«
Also rief ich bei Monitor an und bekam einen Termin für vier Wochen später. Da ich als Student keinen Fernseher besaß, wusste ich weder etwas über diese Sendung noch wer Claus- Hinrich Casdorff war. Als ich zu dem Termin erschien, musste ich eine halbe Stunde warten, wurde dann in ein Büro gebeten, in dem zwei Leute saßen, und ich wusste immer noch nicht, wer von beiden Casdorff war. Der eine ging. Also konnte es nur der andere sein. Meine Eröffnungssätze waren schon etwas intelligenter als damals bei dem Fernsehdirektor. Ich erklärte, Hörfunkfeatures zu schreiben, nichts vom Fernsehen zu verstehen, und auch beileibe nicht angestellt werden, sondern vielleicht ein wenig lernen zu wollen.
Casdorff war milde. Auch er wollte niemanden anstellen. Aber ich könne ja in den nächsten Wochen mal zu einer Bischofskonferenz mitfahren. Das meinte er wohl ironisch, ich nahm es ernst. Was sollte ich auf einer Bischofskonferenz? Das habe ich aber für mich behalten. Dann erklärte er mir die Sendung, die sehr bedeutend sei, und sagte,
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