Neugier und Übermut (German Edition)
absolute Gegner von Blüm. Nun klagte Blüm, wir hätten den Falschen befragt, er überlege, ob er nicht aus dem Fenster springen solle. Das solle er ruhig tun, antwortete ich ihm. Denn ich wusste, und das sagte ich ihm, dass er im ersten Stock wohnte.
Die Vertriebenenchefin und CDU-Abgeordnete Erika Steinbach wollte irgendwann wohl mal wieder in der Presse stehen, deshalb rief sie bei der Bild -Zeitung an und beschwerte sich über mich oder die Tagesthemen. Und ein Redakteur der Bild -Zeitung bat mich um eine Stellungnahme, aber ich wusste gar nicht, worum es ging. Dann erst meldete sich Erika Steinbach bei mir. Doch noch bevor sie sich beschweren konnte, warf ich ihr ungebührliches Verhalten vor. Man beschwert sich nicht zuerst bei der Bild -Zeitung und dann bei der Sendung. Sie gab klein bei.
Für einen Journalisten gibt es nichts Wichtigeres als gute Kontakte.
Eine Reihe von Freunden aus der Studienzeit, die auch in Bonn Jura studiert hatten, waren als Assistenten oder Referenten in die Politik gegangen, andere in Ministerien oder in das Auswärtige Amt. Manche leiteten die Büros von Ministern. Einer, der mir sehr half, und den ich nennen kann, weil er heute nicht mehr im Amt ist, war Wolfgang Ischinger, der inzwischen die Münchener Sicherheitskonferenz leitet. Er hat es im diplomatischen Dienst in die wichtigsten Posten als Staatssekretär, als Botschafter in Washington und London, gebracht. Während der Dayton-Verhandlungen über die Beendigung des Kriegs in Bosnien war ich als Moderator stets auf dem neuesten Stand – ich rief einfach kurz vor der Sendung bei ihm an. Wolfgang Ischinger saß für Deutschland mit am Verhandlungstisch. Als der Vertrag von Dayton in Paris unterschrieben wurde, sagte er bedrückt: »Damit haben wir den nächsten Konflikt besiegelt: Kosovo.« Er behielt recht. Und ich hatte wieder meinen Informanten bei den Friedensverhandlungen zum Kosovo in Rambouillet. So wusste ich meist, was der letzte Stand der Dinge war, und konnte den in meiner Moderation bei den Tagesthemen dem Zuschauer mitteilen.
Ein anderer Studienfreund, Dieter Lange, war inzwischen Anwalt im Londoner Büro einer großen amerikanischen Kanzlei. Er hatte Zugang zu Dokumenten des US-Senats über riesige Bestechungszahlungen der amerikanischen Luftfahrtindustrie beim Verkauf von Kampfjets. Ich flog im Juni 1975 nach London, wo er mich fürstlich zum Abendessen einlud und hinterher noch ins »Annabels« mitnahm. In seinem Büro konnte ich Hunderte Seiten von Akten des Senats in Washington fotokopieren und in Monitor einen spannenden Bericht senden.
Als Folge erhielt ich wenige Monate später den Anruf eines Journalisten des Wallstreet Journal . Er recherchierte in Deutschland über Bestechungszahlungen durch die amerikanische Luftfahrtindustrie. Angeblich hatte die Firma Lockheed Bestechungsgelder für den Kauf von Starfighter-Kampfjets an die CSU oder gar an den ehemaligen Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß gezahlt. Sein Hauptzeuge, der vor dem US-Senat ausgesagt hatte, war der ehemalige Lockheed-Vertreter in Bonn, Ernest F. Hauser. Franz-Josef Strauß war der Trauzeuge dieses Hauser gewesen und Patenonkel seines Sohnes.
Allerdings hatte auch der Stern schon von der Sache Wind bekommen und Ernest F. Hauser unter falschem Namen, versehen mit einem guten Honorar, in einem Hotel in New York versteckt, damit kein anderer Journalist ihn befragen konnte. Ich traf mich mit den Stern -Journalisten Peter Koch und Gerd Heidemann. Wir beschlossen, die Geschichte gemeinsam anzugehen. Der Stern würde sie donnerstags veröffentlichen, wir würden am Montag darauf senden. Die Kollegen vom Stern ließen Ernest F. Hauser nach London fliegen, wo ich ihn treffen konnte. Nach Deutschland wollte er nicht. Da lag noch ein Gerichtsbeschluss gegen ihn vor. Ob er ein Honorar von uns verlange?, fragte ich. Nein, kein Geld. Aber da er sich in Deutschland an Gummibärchen gewöhnt hatte, die aber in den USA nicht erhältlich waren, bat er um zwei Kilo Gummibärchen. Die besorgte mir der Aufnahmeleiter des WDR. So reiste ich mit zwei großen Plastiktüten mit Gummibärchen nach London.
Donnerstags erschien der Ster mit dem Bericht über Bestechungsgelder durch die Firma Lockheed und der Aussage von Ernest F. Hauser, der Strauß und die CSU belastete.
Freitags erhielt der Ster den Antrag auf eine lange Gegendarstellung der CSU zugesandt. Am selben Freitag gab Casdorff in der ARD-Telefon-Schaltkonferenz, die auch heute noch
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