Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
Vom Netzwerk:
bewiesen, dass auch deutsche Waffenproduzenten ihre Auftraggeber bestachen.
    Die politische Auseinandersetzung war in den siebziger Jahren sehr viel härter und unversöhnlicher als heute. Ja, manchmal auch voller Feindschaft und Hass, und sie wurde auch innerhalb der Fernsehanstalten mit Verve geführt. Denn die CDU ging davon aus, dass sie die Bundestagswahlen nur wegen der Berichterstattung der kritischen Journalisten des »Linksfunks« verloren hatte. Damals wurden leitende Posten in den Sendern weitgehend nach Parteiproporz besetzt.
    Heute ist das in einigen Sendern immer noch der Fall. Ich erinnere mich, dass ein junger Kollege mich noch vor wenigen Jahren anrief und um einen Rat bat. Er machte beim SDR in Stuttgart eine hervorragende journalistische Arbeit als freier Mitarbeiter. Nun hatte ihm ein Redaktionsleiter geflüstert, er könne fest angestellt werden, wenn er in die CDU einträte. Was sollte er tun? Ich habe ihm abgeraten, in die Partei einzutreten, sondern einfach gute Arbeit zu verrichten. Das werde sich auszahlen. Dem Rat folgte er. Und er wurde bald von einem anderen Sender abgeworben und ist auf dem Weg, eine beachtliche Karriere ohne Parteibuch zu machen.
    Zur Arbeit eines politischen Magazins wie Monitor gehört es selbstverständlich, auch die Politiker kritisch zu beäugen. Heute haben sich leider viele Amtsträger angewöhnt, in Talkshows zu gehen, und dafür politischen Magazinen keine Interviews mehr zu geben. Ich halte das für einen Fehler. Aber natürlich haben auch früher schon Politiker aller Couleur versucht, kritischem Befragen auszuweichen.
    Im November 1975 schrieb ich einen Bericht über den schlechten Zustand der SPD-Bundestagsfraktion. Darüber hatte ich in Bonn, wo ich wohnte, viel erfahren. Abends traf ich in Kneipen wie Schumannklause, Provinz oder Gambrinus auf Abgeordnete oder deren Assistenten, die mir viele Interna aus der Politik erzählten.
    Herbert Wehner, der SPD-Fraktionsvorsitzende, galt inzwischen als verknöchert und erstarrt. Also drehte ich einen kritischen Bericht über die SPD-Bundestagsfraktion. Auf meine Anfrage nach einem Interview sagte Wehner zu – aber nur, wenn das Gespräch live in der Sendung im Anschluss an den Beitrag liefe. Dem stimmte die Redaktion zu. Wehner aber galt als völlig unberechenbar. Den ARD-Journalisten Ernst-Dieter Lueg mochte er nicht und nannte ihn in einer Live-Sendung »Herr Lüg«, worauf Lueg sich schlagfertig mit »Danke, Herr Wöhner« verabschiedete.
    Zu den Kritikern Wehners in meinem Bericht zählte auch der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Conrad Ahlers, einst Regierungssprecher von Bundeskanzler Willy Brandt. Als ich ihn fragte, worauf ich mich bei einem Interview mit Wehner einstellen müsste, erzählte er eine Anekdote. Ein Hörfunkjournalist habe Wehner in einer Live-Sendung eine ihm unangenehme Frage gestellt. Da sei Wehner ausgerastet und habe geschrien: »Machen Sie erst einmal Ihren Hosenlatz zu!«
    Ich hatte mir vorgenommen, das Gespräch auf den Punkt zu führen, mich nicht irritieren zu lassen und nachzuhaken, wenn eine banale Antwort käme. Wehner hielt sich im Zaum. Aber kaum war das Interview zu Ende, stand er auf und schrie im Studio herum, sodass alle erschreckten und Wehners Pressesprecher so tat, als kenne er mich nicht mehr.
    Kurz: Das ausgestrahlte Interview fand seinen Niederschlag in Zeitungsmeldungen. Der Bonner Hofchronist Walter Henkels schrieb, »durch forsches und nassforsches Insistieren« habe ein »Fernsehreporter« eine »volle Breitseite auf den alten Kämpen« abgeschossen. Und schon kurz darauf kam der Druck von ganz oben. Der CDU-Landtagspräsident von Nordrhein-Westfalen, Lenz, gleichzeitig Vorsitzender des WDR-Verwaltungsrates, bezeichnete mein Verhalten als Interviewer als »am Rande des Flegelhaften« und empfahl, ich möge mich bei Herbert Wehner entschuldigen. Von der SPD kam keinerlei Protest. Sowohl der WDR-Verwaltungsrat als auch der Programmbeirat beschäftigten sich mit meinem Interview und kamen zu dem Ergebnis, es sei nichts daran auszusetzen. Aber ich kann es nicht leugnen, solche Interventionen haben Wirkung, und wäre sie auch unterbewusst.
    Mich hat während meiner fünfzehn Jahre als Tagesthemenmoderator nie ein »Hierarch« aus der ARD noch ein Politiker journalistisch unter Druck gesetzt. Einmal rief Bundessozialminister Norbert Blüm an, weil wir am Abend zuvor Graf Lambsdorff von der FDP zur Pflegeversicherung befragt hatten. Lambsdorff war in dieser Frage der

Weitere Kostenlose Bücher