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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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ein metallener Klappstuhl, ein Spiegel. Dieser Gegenstand hier unten ist die Neugeborenenfigur von Brâncuºi. Schwierig zu erkennen.«
    »Stellt dieser Picassokopf hier eine Huldigung, eine Respektbezeugung oder nur einen Bezug dar?«
    »Eine Bezugnahme – so würde ich das nennen. Er gleicht einer alten Grafik von mir, die eine Picasso-Huldigung war, aber – ob Huldigung oder nicht, es ist eine Bezugnahme. Es sind alles Bezüge, meist auf meine eigenen Arbeiten, aber in vielen Fällen auch auf die anderer Leute, wie auf Brâncuºi oder den Surrealismus.«
    »Weshalb zitieren Sie in diesem Bild andere Künstler, wie zum Beispiel Brâncuºi?«
    »Nun, das Absurde am Zeichnen eines runden Messing- oder Marmorobjekts von Brâncuºi ist, es in der Art zu zeichnen, wie es hier dargestellt ist. Man kann nur ahnen, was es ist, wenn man seine Werke gut kennt oder einem jemand sagt, was es darstellen soll. Ich glaube, das Absurde ist, ein vorhandenes Objekt in einer anderen Art zu porträtieren, zum Beispiel für kommerzielle Zwecke. Im übrigen verspüre ich zunächst fast immer den Drang nach einer Farbe, nach etwas Dunklem, etwas Rotem oder etwas Gelbem. Und erst dann ergibt sich daraus eine Form.«
    Drei Monate lang hatte Roy Lichtenstein über dem Entwurf dieses Bildes gesessen, drei Wochen lang haben dann er und zwei Assistenten den Entwurf auf die Mauer von Castellis Greenestreet- Galerie übertragen. Lichtenstein selbst, gerade sechzig Jahre alt geworden, behielt sich vor, die schwierigsten Teile selbst auszuführen. Und dazu gehörte der in seinem Werk immer wiederkehrende Pinselstrich, der hier nicht mit einem Pinsel, sondern mit einer großen Rolle gemalt und später noch mit den typischen Garnierungen der Pop-Art abstrahiert wurde. Ein großer Teil der Objekte, die in dieser Wandmalerei Platz fanden, waren Zitate aus seinen eigenen Werken oder aus Bildern anderer Künstler. In vielen von Lichtensteins Bildern nimmt er Bezug auf Künstler wie Picasso oder Mondrian oder er verfremdet vorhergegangene kommerzielle Stilepochen wie das Art Deco.
    Der Künstler, der ihn wohl am meisten beeinflusst hat, war Picasso. Und so erhält der auch in dem riesigen Wandgemälde einen besonderen Platz in einer Nische am Ende der langen Wand.
    Drei Wochen lang wurde gemalt. Und die Kosten waren nicht unerheblich, denn zu der Farbe und den Gehältern der Assistenten kam noch die Miete der Hebewagen, auf denen die Maler sich bis in sechs Meter Höhe hieven ließen.
    Und dann hat mir Roy Lichtenstein das Bild geschenkt.
    Aber er schmunzelte, als er es sagte. Denn schließlich war das Bild auf die Wand von Castellis Galerie gemalt. Und wie sollte ich es mitnehmen? Nach sechs Wochen Ausstellungszeit wurde es ganz banal mit weißer Farbe übertüncht. So viel zur Lebensdauer meines Geschenks.
    Roy Lichtenstein bedauerte nicht, dass das Werk wieder verschwand. Er hielt die Vollendung seiner Wandmalerei für wichtiger als ihr Überleben.
    »Und im übrigen«, sagte er, »hat dieses 33 Meter lange Bild wahrscheinlich eine größere Aufmerksamkeit dadurch erhalten, dass es nur so kurz zu sehen war.«

    Wenige Abende später traf ich wieder auf ein Bild, das Roy Lichtenstein verschenkt hatte. Diesmal aber wirklich, für einen guten Zweck. Und für gute Zwecke arrangiert man in New York erst einmal ein Abendessen mit viel Prominenz. Der Grund war an dem Abend die Versteigerung von 24 Werken der berühmtesten amerikanischen Künstler, die je ein Bild zugunsten der Anti-Atomwaffenbewegung gestiftet hatten.
    Das haben wir heute fast vergessen: Anfang der achtziger Jahre befand sich die Welt im Wettrüstkampf. Ronald Reagan hatte endlich das getan, was Bundeskanzler Helmut Schmidt fast vergebens von Jimmy Carter gefordert hatte: der Stationierung der Pershing-Atomraketen im Nato-Europa zugestimmt. Als Antwort auf die SS-20 der Sowjets. Die Atomwaffenarsenale waren so voll, dass sich die Welt etwa dreißigmal hätte umbringen können. In Deutschland folgten Hunderttausende von Demonstranten den Aufrufen der Friedensbewegung. Auch in den USA hatte sich eine starke Bewegung gegen das atomare Wettrüsten entwickelt.
    Sam Francis, Jim Dine, David Hockney und Claes Oldenburg, Jasper Johns, Robert Motherwell, James Rosenquist und Robert Rauschenberg hatten Werke zur Verfügung gestellt. Die Versteigerung selbst führten Berühmtheiten aus Politik, Filmwelt und Kultur durch. Unter anderen der Autor Arthur Miller, den ich durch Frederik – genannt

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