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Neugier und Übermut (German Edition)

Neugier und Übermut (German Edition)

Titel: Neugier und Übermut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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Reportern der New York Times zu übergeben. Bei ihrer nächtlichen Fahrt zu einem Treffpunkt kam Karen Silkwood von der Straße ab, prallte gegen eine Betonmauer und war sofort tot.
    Unfall oder Mord? Auf jeden Fall waren die belastenden Papiere plötzlich verschwunden.
    Karen Silkwood wurde bald nach ihrem Tod zu einem nationalen Symbol der Atomgegner.
    Zwei Autoren hatten den Stoff des Falles »Karen Silkwood« zu einem Drehbuch verarbeitet, doch niemand wollte Geld investieren, um den Film zu produzieren. Erst als Meryl Streep begann, sich für das Thema zu interessieren, regelte sich alles wie von selbst. Der Film wurde gedreht. Mit Streep in der Hauptrolle.
    Als der Film ein großer Erfolg wurde, bat ich sie um ein Treffen. Sie wohnte in New York nicht etwa in den vornehmen Vierteln um den Central Park, sondern unten in Soho bei den Malern und Bildhauern. Am liebsten gab sie sich als Normalbürgerin, sie hasste es, als Star behandelt zu werden. Ja, das Gespräch könnten wir führen, aber bitte nicht zu Hause. Sie lasse niemanden in ihre Privatsphäre, außerdem störe es ihren Mann Don Gummer – und die Kinder.
    Wir treffen uns also in ihrer Agentur, und sie kommt mit ihrem Baby, das wenige Monate alt ist und schläft. Sie ist völlig ungeschminkt, die rötlichen Haare fliegen ein wenig wild um ihren Kopf, das Kind wird auf ihrem Schoß geparkt. Die Stimmung ist gelöst, so als sei sie eben mal für einen kleinen Schwatz vorbeigekommen.
    Meryl Streep war gerade für ihre Darstellung der Karen Silkwood für den Filmpreis »Golden Golbe« nominiert worden (sie erhielt ihn nicht, aber Cher bekam ihn für eine Nebenrolle in dem Film).
    »Mich faszinierte Karen Silkwood«, erzählte mir Meryl Streep. »Denn ich liebe komplizierte Charaktere, die keine einfachen Antworten zulassen. Ich mag es komplex, widersprüchlich. Karen Silkwood war so jemand, im wirklichen Leben und im Drehbuch. Beim Lesen des Drehbuchs gefiel mir, dass sie jemand war, der etwas Heldenhaftes tat, ohne jene heldenhaften Eigenschaften zu haben, die wir normalerweise mit Menschen, die Großes leisten, in Verbindung bringen.«
    »Haben Sie die Rolle gewählt«, fragte ich, »weil Sie für den Atomstopp eintreten?«
    »Das war wahrscheinlich der Grund, weswegen ich überhaupt begann, über Karen Silkwood nachzulesen«, sagte Meryl Streep.
    Das Baby quakte, sie übergab es der sie begleitenden Kinderschwester.
    »Das ist schon längere Zeit her. Und es war überhaupt nicht die Rede davon, einen Film über ihr Leben zu drehen. Erst als ich immer berühmter und mir klar wurde, dass ich vielleicht selbst etwas beeinflussen könnte, half mein Interesse für nukleare Fragen, diesen Film auf den Weg zu bringen.«
    »Die Produzenten behaupten, der Film wäre ohne Sie nie zustande gekommen. Sind Sie an die Produzenten herangetreten?«
    »So in etwa. Dafür ist mein Agent zuständig. Ich selbst habe nicht zum Telefon gegriffen und die Nummer gewählt.« Sie lachte. »Vor solchen Typen habe ich Angst. Aber es stimmt, dass mein Interesse das Ganze ins Rollen brachte. Und ich bin stolz darauf, obwohl sich mein Verdienst allein auf meine Schauspielkunst beschränkt.«
    »Sie sagen, Karen Silkwood sei keine Heldin gewesen, kein Jeanne d’Arc-Typ. Einerseits setzte sie sich für ihre Kollegen in der Plutonium-Fabrik ein, andererseits hatte sie wirklich große Probleme mit sich selbst. Interessiert sich das Publikum immer für Personen, die Schwierigkeiten mit sich selbst und mit der sie umgebenden Gesellschaft haben?«
    »Ich glaube, das Publikum interessiert sich für Menschen, in denen es sich zu erkennen glaubt. Sehr oft sind Filmemacher bemüht, entweder die oberen Zehntausend mit ihren Tonnen von Geld darzustellen, oder sie interessieren sich für Verrückte, für Unterweltstypen. Aber das hier ist eine wahre Geschichte. Es ist eine Geschichte in der jeder, jeder Arbeiter in Amerika, sich wiedererkennen kann. Und das hat viel mit der Popularität dieses Films zu tun, wenigstens hier in den USA. Weil er wirkliches Leben darstellt. Was die Atomfrage angeht: Karen Silkwood arbeitete in der Nuklearindustrie. Sie war nicht als Atomgegner aktiv. Es ist ironisch, dass dieser Film jetzt als Aushängeschild gegen die Atomindustrie dienen soll.«
    »Weshalb interessierten Sie sich gerade für ein Drehbuch mit einer wahren Geschichte?«
    »Wenn die Zuschauer am Ende eines Films lesen: ›Der und der lebt jetzt da und da …‹ macht es einfach einen stärkeren

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