Neugier und Übermut (German Edition)
eine Stunde später wieder an. Man könne die Sprachaufnahme auch auf mehrere Tage stundenweise verteilen. Ich könnte einfach sagen: Montagnachmittag anderthalb Stunden, Mittwoch früh eine Stunde, Freitag noch eine Stunde, und so fort.
»Letty, ich gebe mich geschlagen!«
Dann habe ich Woody Allen getroffen. Als ich zum ersten Termin kam, wurde ich in einen Schneideraum geführt, wo er hinter der Cutterin saß. Er dankte mir, wirkte konfus und nicht bei der Sache, gab mir die schlaffe Hand – Nice to have met you – Schön, dass Sie gekommen sind. Aber Sie haben ja wenig Zeit. Ab ins Studio.
Völlig unerfahren in Dingen der Synchronisierung von Spielfilmen, dachte ich, jetzt würde ich den ganzen »mockumentary« Zelig sehen. Welch Irrtum. Mir wurden nur die einzelnen Szenenhäppchen eingespielt, zu denen der von mir zu sprechende Text passte. Wir schafften es in zwei Sitzungen. Aber worum es bei diesem Film ging, das habe ich erst erfahren, als »Zelig« in Manhattan im Kino anlief, und ich ihn dort nach dem Kauf eines ordentlichen Tickets ansehen konnte.
»Zelig« wird nur noch selten gezeigt. Und die deutsche Fassung mit meiner Stimme habe ich erst Jahre später im deutschen Fernsehen gesehen. Da wunderte ich mich, dass ich mich nicht so anhörte, wie ich es gewohnt war, sondern ein wenig höher in der Tonlage, ja, ich glaubte sogar, einen minimalen Lispler herauszuhören. Das hatte seinen Grund in der Technik. Der Spielfilm war in den USA mit 24 Bildern pro Sekunde gedreht worden. Aber durch die Umwandlung auf das deutsche PALSystem für das Fernsehen liefen jetzt 25 Bilder pro Sekunde. Ein Bild pro Sekunde mehr, das mag zwar fast unmerkbar sein, aber es macht doch etwas aus. Dadurch wird der Film auch ein wenig kürzer! Und man kennt ja den Effekt: Ein schneller laufendes Tonband lässt die Sprache immer heller klingen.
Von wegen Neugier: Anfang der achtziger Jahre entdeckten die Kunstgalerien in Soho die jungen deutschen Maler: die Wilden. Aber die amerikanischen Popkünstler standen immer noch an erster Stelle der Bewunderung. Ihr aller Vater war der Galerist Leo Castelli. Vor Weihachten stellte er in seiner Galerie am West-Broadway ein paar kleine Formate von Roy Lichtenstein aus, vielleicht 30cm mal 30cm. Weniger fürs Museum als für einen ahnungslosen reichen Sammler gemalt, der ohne mit der Wimper zu zucken dreißigtausend Dollar für solch ein kleines Bild ausgeben kann. Anerkannte Kunst als Renommee an der Salonwand. Immer noch besser als ein röhrender Hirsch.
Um die Ecke in der Greenestreet hatte Castelli noch einen zweiten, riesigen Ausstellungsraum eröffnet. Dort zeigte mir Roy Lichtenstein, was er wirklich konnte. Nur so zum Spaß malte er die dreiunddreißig Meter lange und sechs Meter hohe Wand voll.
Kunstkritiker mögen nach dem tieferen Sinn von Bildern fragen, doch der sympathisch scheue Roy Lichtenstein sagte mir: »Bilder müssen für mich keine Bedeutung haben. Ich weiß, was die einzelnen Gegenstände darstellen, aber darum geht es nicht. Es fiele mir schwer, Ihnen die Bedeutung des Gesamtwerkes zu erklären, obwohl es eine hat, die über die einzelnen Gegenstände hinausgeht.«
»Aber wie würden Sie antworten«, fragte ich ihn, »wenn jemand Sie bäte, die Bedeutung dieser Wandmalerei zu erläutern?«
»Nun, ich würde sagen, diese Wandmalerei ist eine Art Parade von Dingen, die ich früher schon gemalt habe«, antwortete Lichtenstein, »eine erneute Darstellung gewisser Objekte, die ich schon einmal verwendet habe.«
»Könnten Sie ein wenig erklären, worum es sich handelt, während wir am Bild entlanggehen?«
»Das hier ist eine Tasse. Die Kompositionsbücher habe ich 1962 schon einmal gemalt. Dann sehen Sie den Gegensatz zwischen einer sehr runden weiblichen Figur und einer sehr geometrischen männlichen, eine Fortsetzung des Klischees sozusagen, das wir für die Betrachtung von Männern und Frauen benutzen.«
»Wollen Sie sagen, dass Sie Männer geometrisch sehen?«
»Nicht ganz. Ich glaube, es ist mehr eine Weiterführung des Klischeebegriffes. Ich habe diese zwei schon einmal in surrealistischen Bildern dargestellt. Der Käse sieht genauso aus: hat die gleichen Charakteristiken wie diese weibliche Figur. Sie sind ziemlich artverwandt. Die Darstellung eines Schweizer Käses fällt ziemlich abstrakt aus, aber das ist immer der Fall, wenn man ihn als Karikatur malt.
Dies sind Aktenordner – auch ziemlich abstrakt, wenn man nicht weiß, was es sein soll. Da ist
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