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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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hatte sie gefragt, was sie damit meine, dass er sie ärgere, und sie hatte in ihrer Beschreibung etwas übertrieben, da war er am Dienstag bei Sami angetreten und hatte sie gefragt: Wer?, und sie hatte die Sache schon bereut, aber er ließ nicht locker, bis sie auf ihn zeigte, und dann sagte er zu dem Knaben, er solle aufstehen und mit ihm nach draußen kommen, und sie hatte keine Ahnung, was er ihm da draußen gesagt oder getan hatte, doch der Junge war seitdem bei Sami nie mehr aufgetaucht. Nein, sie wollte nicht, dass Professor Hoffmann aus ihrem Leben verschwand, obwohl sie schon beim ersten Mal, als er sie bat, nach der Stunde zu ihm zu kommen, und als er nur auf ihre Lippen schaute, während sie sprach, gewusst hatte, dass das bös enden würde. Trotzdem ging sie mit dem Kopf durch die Glaswand, Hauptsache, endlich etwas spüren, und sie schlief mit ihm in seinem Zimmer in der Uni und in seinem Auto und in einem Zimmer für fremdgehende Ehemänner im Kibbuz Ben Schemen und in ihrer Wohnung, wenn ihre Mitbewohnerin zu ihren Eltern nach Aschkelon gefahren war, und sie hatte Orgasmen wie nie in ihrem Leben und zerkratzte ihm den Rücken, um trotzdem irgendein Zeichen zu hinterlassen, und sie führte mit ihm Gespräche über Literatur und Moral, bei denen sie sehr viel lernte, und streichelte sein weißes Brusthaar, gab sich immer wieder der schmerzvollen Sehnsucht nach dem nächsten Mal hin und wollte nicht, dass es aufhörte, noch nicht, sie musste, sie musste noch ein bisschen leiden.
    Danke für das Angebot, Papa, aber ich glaub nicht, dass es diesmal klappt. Richtet Joavi aus, dass ich ihn liebhab, sagte sie am Morgen jenes Freitags, und am Schabbat wartete sie und wartete, doch Hoffmann kam nicht, und erst um fünf Uhr nachmittags schickte er ihr eine Nachricht, ich hab es nicht geschafft. Seine Aufsätze waren lang und voll endlos mäandernder Sätze, die auf einer Seite begannen und erst auf der nächsten aufhörten, doch seine SMS waren immer kurz, zum Wahnsinnigwerden, und sie nahmdas Telefon und rief aus Rache den Knaben aus dem Einführungskurs Psychologie an, der sich einige Wochen zuvor bei ihr nach der Stunde vorgetastet hatte, und verabredete sich mit ihm für den nächsten Abend zum Kino, obwohl sie wusste, dass daraus genauso wenig würde wie aus allen anderen Treffen, seit Hoffmann begonnen hatte, ihr Herz zu kneten.
    Zum Schluss ging sie auch nicht in den Film, denn eine halbe Stunde bevor sie aus dem Haus wollte, kam der Anruf aus Haifa.
    Natürlich war sie schockiert. Und natürlich klammerte sie sich sofort an die Version, dass es ein Unfall gewesen sei, doch als neben den Vertuschungsversuchen vonseiten der Armee auch Zeugenaussagen erschienen, die eine andere Version unterstützten, war sie nicht so überrascht, wie sie es gern gewesen wäre, denn am Schabbat zwei Wochen zuvor war sie ja in Haifa gewesen und hatte Joavi getroffen. Als sie am Freitagnachmittag das Haus betrat, war er gerade von seinem langen Soldatenschlaf erwacht, und als sie ihn umarmte, roch er noch danach, es war sein Schlafgeruch, den sie so gut kannte, aus der Zeit, als sie das Zimmer teilten. Schwesterherz, du siehst prima aus! Er hatte sie von oben bis unten gemustert. Hast du abgenommen, oder was? Ja, gestand sie. Ich hab in letzter Zeit keinen Appetit. Und wie läuft’s bei dir? Wie geht es in der Israelischen Verteidigungsarmee? Beschissen, sagte er in einem Ton, der klarmachte, dass man dieses Thema nicht weiter vertiefen müsse. Beschissen, dachte sie lächelnd. Wer hätte gedacht, dass Mamas lieber Sohn einmal so reden würde? Gut in Mathematik. Gut in Literatur. Gut in Sport. Gut in Musik. Nie wirklich ausgezeichnet, aber immer gut und sensibel andern gegenüber. Manchmal zu sensibel. Er quälte sich manchmal wochenlang wegen irgendeinem Quatsch. Manchmal schlief er nächtelang nicht, ohne Grund. Aber alle liebten ihn. Sie liebte ihn auch. Wie könnte man anders? Große, grüne Augen. Schlank, fast hager, sagenhafter Humor. Und diese Fähigkeit jüngerer Geschwister, immer drum herumzulavieren, statt mit dem Kopf durch die Wand zu gehn. Sich schamlos verwöhnen zu lassen, anstatt so zu tun, als wäre man selbständig. Abzuwarten, bis jemand anderer die Verantwortung für eine Situation übernahm und ihnen den Schweiß ersparte.
    Joavi, komm Kaffee trinken!, hatte ihre Mutter gerufen und ihn von ihr weggestohlen. Dem Anschein nach war auch Inbar eingeladen, aber sie kam sich da immer überflüssig vor, wie mit

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