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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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Geschäftskrisenberater in Israel.
    Bei der Versicherung wollten sie keine Panik machen. Er sei ja kein kleines Kind mehr, sagte der Verantwortliche. Warten Sie noch zwei, drei Wochen, bevor Sie hysterisch werden. Er hat keine Bergungspolice abgeschlossen, und wenn Sie uns einsetzen, müssen Sie die Kosten tragen. Außerdem hatte man sie gewarnt, bedenken Sie, dass man so etwas, wenn es einmal losgetreten ist, nicht mehr geheim halten kann. Das Land ist klein. Ihr Vater ist ein bekannter Mann auf seinem Gebiet. Sie müssen sich gut überlegen, ob er eine solche Öffentlichkeit wollen würde. Womöglich finden Sie ihn in zwei Tagen an einem peruanischen Strand beim Sonnenbaden – den Schaden durch die Medien können Sie dann nicht mehr ungeschehen machen.
    Ich spüre, er ist in Gefahr, hatte Ze’ela zu Dori gesagt, ich spüre das in meinem Körper. Er hat gesagt, er werde für zwei, drei Wochen den Kontakt abbrechen, nicht für zwei Monate. Und mit solchen Dingen nimmt er es genau.
    Fahr zu ihm, hatte Roni ihm geraten, ohne den Blick von ihrem Laptop zu heben, das ist die einzige Lösung. Ze’ela kann wirklich nicht weg, wegen der Kinder. Und du weißt sowieso in den ersten Tagen der Sommerferien nie, wohin mit dir. Außerdem würdet ihr es euch nicht verzeihen, wenn zum Schluss rauskäme, dass er wirklich in Not gewesen ist. Was für eine Not? Dori hatte fast geschrien. Bist du jetzt auch schon hysterisch? Fängst du auch schon an, »Dinge in deinem Körper zu spüren«?
    Um die Wahrheit zu sagen – Roni klappte den Bildschirm des Laptops herunter und sah ihm in die Augen –, ich glaube, dass alles in Ordnung ist und er einfach seine Reise genießt. Es wäre ja auch nicht schlimm, wenn du ihn da schon nach zwei Tagen fändest … Ihr könntet ein bisschen zusammen rumziehen, das wäre dochnicht schlecht. Vielleicht ist das ja … die Chance für euch beide … euch etwas näherzukommen? Du hast doch erst letzte Woche deiner Psychologin gesagt, ihr hättet eure Beziehung verpasst.
    Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, es mache mich traurig, mich damit abgefunden zu haben, dass unsere Beziehung so ist.
    Na also, vielleicht musst du dich ja nicht damit abfinden.
    Ich weiß nicht. Und was ist mit Neta?, hatte er besorgt gefragt. Als er ihn damals im Kreißsaal auf dem Arm wiegte, hat er sich geschworen, für ihn ein starker Vater zu sein und ihn nicht zu enttäuschen.
    Neta packt das schon, hatte Roni geantwortet. Er hat ja auch noch eine Mutter, weißt du. Aber sie klappte den Bildschirm wieder auf, du brauchst eine Kontaktperson vor Ort, jemanden, der mit solchen Sachen Erfahrung hat. Du kannst nicht einfach so out of the blue auf dem Flughafen in Ecuador landen. Du sprichst ja noch nicht einmal Spanisch. Komm, schau mal, ich hab hier ein paar Optionen gefunden.
    Optionen? … Wie? … Wann hast du das gemacht? Wo?
    Bei Google, Dori, na komm schon, setz dich einen Moment.
    »Nicht suchen – finden«, war das Motto von Alfredos Homepage, der zweifellos beeindruckendsten von allen, die Roni ihm zeigte. Darunter ein Bild: ein klein gewachsener Mann, schon älter, etwas kahl auf dem Kopf, mit Bauchansatz, in einem zu großen Anzug. Er sah nicht aus wie Che Guevara, war kein Simón Bolívar, aber sein Blick hatte etwas von einem Abenteurer, fast etwas Wildes. Sein Kopf war leicht nach vorne gebeugt, Dori musste an einen Stier denken, der seine Hörner gleich in das rote Tuch stoßen wird, und die oberen Knöpfe seines Hemdes standen offen. Andere Fotos zeigten ihn in der Umarmung mit seinen Geretteten. Da war er schon anders angezogen, legerer. Eine große Sonnenbrille, die an den Terroristen Carlos erinnerte, Hosen mit vielen Taschen, ein ärmelloses Hemd – da sah man seine gewaltigen Schultern und auch ein Lächeln auf seinem Gesicht. Überraschend verletzlich.
    Unter vielen Dankesbriefen und Zeitungsartikeln konnte manauch den Ausschnitt eines Filmberichts anklicken, der in Israel über ihn gesendet worden war. »Zwanzig Prozent meiner Kunden sind Israelis«, sagt er, während er sich über die Brusthaare in seinem halb offenen Hemd streicht, »manchmal hab ich den Eindruck, ihr da in Israel, ihr wollt geradezu verloren gehn.«
    Ein Sohn, der seinen Vater sucht, das hatte ich noch nicht, erzählte er Dori bei einem ihrer Telefonate vor der Reise. Wohl eine Mutter, die ihre Tochter sucht. Einen Bruder, der seine Schwester sucht. Einen Mann, der eine Frau sucht. Eine Frau, die einen Mann sucht. Aber sowas

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