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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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herumziehst, sind deine Träume explizit und voller Zauberstäbe, die du nicht mehr ignorieren kannst. Wenn du herumziehst, ist die Einsamkeit so stechend wie ein Orgasmus, und viele Dinge, die dir sonst wichtig erscheinen, sind plötzlich nebensächlich, wie etwa die Frage: Wie heißt du?

Inbar
    kaufte in Cuzco schließlich einen Adapter. Am Morgen nach einer Tanzparty, bei der sie sich an die Wand gedrückt hatte, um sich möglichst unsichtbar zu machen, weil sie meinte, sie sei nicht richtig angezogen, und weil sie die Musik entsetzlich fand, und weil sie eigentlich nie tanzte, denn sie fühlte sich in ihrem Körper nicht wohl genug. Eine Holländerin hatte sie beim Wäscheaufhängen überredet, mit in den Club zu gehen, und sie hatte geglaubt, das sei eine gute Möglichkeit, echte Leute kennenzulernen, nicht nur ausgedachte. Aber in dem Club waren nur Kinder, wirklich Kinder, und die Holländerin, die sich auf den zweiten Blick auch als Kind entpuppte, machte sich schon bald mit einem Holländer aus dem Staub, und niemand hatte mit ihr geflirtet, obwohl sie sogar versucht hatte zu lächeln und nicht ganz so dicht an der Wand zu stehen. And men seem wicked when you are unwanted.
    Inbari? Ejtans Stimme zitterte ein bisschen.
    Ja.
    Ich … du … ich dachte schon, du … ich hab mir furchtbare Sorgen gemacht. Bist du okay, Inbari? Was ist passiert?
    Nichts.
    Was nichts?
    Nichts ist passiert. Alles in Ordnung.
    Alles in Ordnung?!
    Ja.
    Aber was … wieso … eine halbe Stunde vor deinem Rückflug schickst du eine SMS (eine SMS!), dass du nicht zurückkommst. Und dann tauchst du ab. Hast du überhaupt eine Ahnung … verdammt, ich nage hier den Putz von den Wänden.
    Tut mir leid, Ejtani. Ich hätte früher anrufen müssen, ich weiß.
    Wo bist du überhaupt? Ich hab ja keine Ahnung, wo du steckst –
    In Cuzco.
    Wo ist das?
    In Peru.
    Du hast in Berlin jemanden kennengelernt, Inbar, ist es das?
    Nein. Quatsch. Wie kommst du denn darauf?
    Was ist dann passiert? Ich versteh nicht. So von jetzt auf gleich hast du beschlossen, nicht zurückzukommen?
    Nicht von jetzt auf gleich. Das köchelt schon eine Weile.
    Was, eine Reise nach Peru?
    Nein, was soll ich sagen.
    Was dann, ich versteh dich nicht.
    Sie schwieg. Zuerst wartete sie. Setzte auf die Verzögerung, mit der seine Worte bei ihr ankamen. Danach wusste sie einfach nicht, was sie sagen sollte.
    Sag mal, und was soll ich denen vom Radio sagen? Er lenkte das Gespräch auf praktische Dinge, das fiel ihm leichter. Die nerven schon –
    Sag ihnen nichts, ich rufe selber an und gebe ihnen Bescheid, dass ich aufhör.
    Dass du aufhörst? Schatz, ist es nicht besser, wenn du ihnen sagst, dass du deinen Urlaub verlängerst? … Ich meine, falls du es bereust.
    Ich muss das hinter mir lassen.
    Aber Schatz –
    Lass gut sein. Ich hab mich entschieden. Es ist meine Entscheidung, sagte sie und dachte: Eigentlich mag ich es nicht, dass er mich Schatz nennt.
    Sag, wie bist du plötzlich … hast du das Flugticket umgetauscht? Ist das nicht wahnsinnig teuer?
    Doch, aber was soll’s. Ich hab mir das überlegt, ich zahl das von meinem letzten Gehalt, das ich vom Radio kriegen werde. Dieses dreckige Geld muss ich loswerden.
    Wird es sauberer, wenn … du es zum Fenster rausschmeißt? Ich weiß nicht, Inbar. Ich versteh nicht, was in deinem Kopf passiert.
    Genau das ist das Problem – dachte Inbar, sagte es aber nicht –, dass ich dir alles erklären muss. Dass du nicht verstehst, dass ichschon verdammt lang verloren bin. Dass du den Zusammenhang nicht kapierst zwischen dem, was in der Sendung passiert ist, und Joavi. Dass du nicht verstehst, wie es möglich ist, jemanden zu hassen und zu lieben, vor allem, wenn derjenige dein toter Bruder ist. Und dass du nichts Kompliziertes oder Dunkles akzeptierst, weil bei dir alles so hell ist.
    Gut. Ist auch egal. Wann kommst du zurück?
    Keine Ahnung. Sie sagte die Wahrheit, und um sie etwas abzumildern, fragte sie gleich hinterher: Wie läuft’s im Laden?
    Ganz okay, brummte er. Hab diese Woche fünf Kronleuchter an den Mann gebracht.
    Wow, ein Weltrekord, was?
    Ja, sagte er, aber irgendwie, wenn du nicht hier bist, fühlt es sich nicht so an.
    Tut mir leid, dass das so gelaufen ist, Ejtani.
    Sag nicht, dass es dir leidtut, wenn es dir nicht wirklich leidtut.
    Es tut mir wirklich leid.
    Dann komm so schnell wie möglich zurück. Ich warte hier auf dich.
    Wirklich?
    Tauch bloß nicht wieder ab. Gib mir hin und wieder ein Lebenszeichen. Damit

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