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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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dass er kapiert hatte, obwohl er sich nicht sicher war, ob er selbst Udi das abnahm. So oft schon hatte der sich in Lügen verstrickt, nur um allen zu gefallen.
    Und sie war sowieso geladen, fuhr Udi fort. Wegen früherer Sachen. Da kannst du dir denken, wie es bei uns geknallt hat. Ich dachte, jetzt ist es vorbei, sie nimmt die Mädchen und geht. Und du weißt ja, wie verrückt ich nach meinen Mädchen bin. Ums kurz zu machen, ich schlafe seit zwei Monaten im Wohnzimmer, und Galit sagt mir die ganze Zeit: Ich weiß nicht, ob ich dir noch vertrauen kann . Ich weiß nicht, ob ich dir noch vertrauen kann. Bloß wegen einer E-Mail! Kapierst du das? Und dann ist auch noch ihre Mutter plötzlich krank geworden. Jugenddiabetes. Bei einer Frau mit siebzig, von heut auf morgen, aus dem Nichts. Und ich mit dem ganzen Stress von der Arbeit. Und die Hypothek auf dem Haus macht uns platt, ich sag dir, die macht uns platt –
    Udi Marom jammerte ihm etwas vor. Eineinhalb Stunden jammerte er, und Dori wusste nicht, was er sagen sollte. Er war sich auch nicht sicher, ob Udi wirklich einen Rat von ihm hören wollte oder einfach nur abladen. Im Hintergrund liefen Coverversionen von Schlagern, die sie in den achtziger Jahren gehört hatten; sie klangen wie ein einziges langes, monotones Stück.
    So ist das eben, sagte Udi abschließend und nahm einen Schluck von seinem Whiskey. Nichts zu machen. Das ist so ein Jahrzehnt. Man zieht die Kinder groß, kümmert sich um die Eltern, einmalin zwei Wochen schlechten Sex. Man versucht, den Kopf nicht zu heben, weil man sonst eins draufkriegt. Man geht durch einen langen Flur, ohne nach links und rechts zu schauen, ohne zu viel nachzudenken, bis der Flur zu Ende ist. Ist es bei dir und Roni denn anders?
    Dori trank von seinem Malzbier und antwortete nicht. Nachdem sie ein ganzes Jahr nicht miteinander geredet hatten, ging ihm das zu schnell. Und auch die Erklärung, die Udi vorschlug, dieses allgemeine »so ist das eben«, verfing bei ihm nicht. Bei seinen Eltern war es nicht »so« gewesen. Und Roni und er hatten eine tiefe und starke Bindung, sie waren wie zusammengeschweißt, auch wenn es schon einige Ähnlichkeiten –
    Sie hatten sich gerade zu einem Workshop bei einem bekannten Chefkoch angemeldet, der, wie Roni ihn aufgeklärt hatte, beim Fernsehen im Morgenprogramm eine feste Rubrik hatte. Dori hatte dabei kein gutes Bauchgefühl, aber Roni hatte argumentiert, sie würden »ja überhaupt nichts zusammen machen, außer Neta großziehen, und das erzeuge so eine Distanz«. Er war sich nicht sicher gewesen, ob es das war, was Distanz schuf, und fühlte sich nicht wohl dabei, sich zu einem Fresslust-Workshop einzuschreiben, während seine Mutter schwer krank war, und er war auch nicht gerade begeistert, dass der Workshop in Tel Aviv stattfinden sollte, einer Stadt, in der er sich immer fremd gefühlt hatte –
    Da war Roni noch deutlicher geworden: Sie bekomme das von der Arbeit umsonst, und nicht hinzugehen wäre einfach eine Riesenverschwendung – obwohl sie ein sehr ordentliches Gehalt hatte, wirkte das Wort »gratis« noch immer wie ein Zauberwort auf sie –, und so ließ er sich mitschleppen. Aber ganz so war es nicht, er begleitete sie in seiner ganzen Liebe für sie und in dem Wissen, dass etwas dran war, an ihrem Argument, dass er neuen Dingen gegenüber nicht aufgeschlossen genug sei, und in der Hoffnung, dass ein Workshop mit dem Namen »The Taste of Love« ihnen beiden guttun würde.
    Beim ersten Treffen, in einem prächtigen, aber eigentlich traurigen Hotel, philosophierte der Chefkoch in weißem Hemd mit weißer Schürze und roten Schuhen über den inhärenten Unterschied zwischen Nahrung und Essen, darüber, dass für sich selbst zu kochen mehr sei als nur Genuss, es sei ein Statement, eine Ideologie, ein Lebensstil, der das Persönliche dem Industriellen vorziehe, die Sinnlichkeit dem Asketentum, die Kreativität der Banalität. Die Teilnehmer – neun Paare, die sich erschreckend ähnlich sahen, zwei der Frauen trugen sogar das gleiche Kleid – lauschten dem Vortrag mit offenem Mund, während alle um eine »Edelstahl-Insel« herumstanden, und Roni meinte später, als sie sich in den Stau einfädelten, sie sei gespannt, was er dazu sage. Ehrlich gesagt, begann Dori zögernd, ich fand es ein bisschen übertrieben, ich meine, letztendlich geht es nur ums Essen. Aber genau das sagt er doch, rief Roni, erhitzte sich wie ein Keramikfeld, dass es sowas wie »nur Essen« eben

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