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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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Prächtig. Die Kindergärtnerin meint, er habe gerade eine außergewöhnlich gute Zeit, und die Abschiede morgens gehen ganz glatt, er klammert sich nicht mehr an den Zaun, und diese Woche haben ihn auch Freunde besucht, zwei Tage nacheinander.
    Du verarschst mich jetzt, oder?
    Überhaupt nicht.
    Aber wie erklärst du das? Was ist plötzlich passiert?
    Entweder ist etwas in ihm gereift … oder die Psychologin hatte wirklich Recht, und da ist etwas an eurem Verhältnis, das ihn aufgehalten hat.
    Was? So etwas hat die Psychologin nie gesagt!
    Psychologen sagen solche Sachen nicht explizit. Wenn sie das machen würden, wären die Sitzungen ganz kurz und sie würden weniger verdienen.
    Ich habe von ihr keine Anspielung in dieser Richtung mitbekommen.
    Manchmal hören Leute auch nur, was ihnen angenehm ist, weißt du. Was meinst du, hat sie sonst damit gemeint, als sie sagte, sie frage sich, ob du nicht aus dem Wunsch, es nach den Erfahrungen deiner eignen Kindheit besser zu machen, in die andere Richtung übertreibst?
    Er wusste nicht, was er ihr antworten sollte. Sie hatte Recht, dieser Satz war tatsächlich bei einer der Sitzungen gefallen, doch schon damals hatte sich etwas in ihm gegen diese so durchsichtige Deutung aufgelehnt. Sie tauschten noch ein paar Banalitäten aus und beendeten das Gespräch, denn »das ist doch wahnsinnig teuer, Dori«.
    Die ganze Nacht über raste es in seinem Kopf; Abschnitte aus dem Tagebuch seines Vaters, Kindheitserinnerungen und Erinnerungen an die Liebe, die seine Eltern verbunden hatte, Ronis Kälte am Telefon und die einfache Wärme, mit der Inbar ihm angeboten hatte, sich seiner weiteren Suche anzuschließen – alles floss ineinander, und dann wurde ihm die Antwort klar. So wie du ein impressionistisches Bild nur wirklich sehen kannst, wenn du dich etwas von ihm entfernst. Oder wie wenn du im strömenden Regen unter einer Brücke durchfährst und da herrscht plötzlich völlige Stille, und du kannst das Innen hören –
    Ja, vielleicht hatte er Neta mit seiner übertriebenen Liebe erdrückt. Aber nicht, weil er versuchte, anders als sein Vater zu sein. Jedenfalls nicht allein deshalb.
    Warum dann?, hörte er Roni in seinem Kopf fragen.
    Weil ich mit dir keine Liebe austausche, keine bekomme und keine gebe, und das schon lange, antwortete er ihr; seine Stimmbänder bebten, obwohl er das Gespräch nur in Gedanken führte.Die Kanäle zwischen uns sind verstopft, Roni, und nach dem Gesetz der kommunizierenden Lieben fließt so alles zu ihm.
    *
    So ist das eben, hatte Udi gesagt, nichts zu machen.
    Sie hatten in der neuen Bar gesessen, die auf den Trümmern des Café Moment eröffnet worden war. Udi hatte ihn mittags angerufen und ihm erzählt, er habe eine Konferenz über Marketingstrategien, und vielleicht könne man danach am Abend zusammen noch was trinken gehn.
    Klar doch, Bruder, hatte Dori gesagt.
    Und sie hatten sich um neun verabredet.
    Punkt neun, Udi?, hatte Dori nachgefragt, um sicher zu sein.
    Udi hatte sein großes Lachen losgelassen, das während der Gymnasialzeit in jeder Pause über den Köpfen aller hing, und versprochen, pünktlich zu sein.
    Um halb zehn war er dann gekommen, mit seinem offenen, selbstsicheren Gang, doch als sie sich umarmten, spürte Dori, wie sich ein kleiner Bauch an ihn drückte. Ein Bauch! Bei Udi Marom, dem Kapitän der Auswahlmannschaft?! Erster Platz im Sechshundertmeterlauf, der Rekordbrecher der Schule im Weitsprung und auch im Hochsprung.
    Wie froh bin ich, dass du es hingekriegt hast, mich zu treffen, Mensch, sagte er.
    Ich freu mich auch, sagte Dori.
    Whiskey ohne Eis, bat Udi den Barmann, und bis er bekam, was er bestellt hatte, musterte er die Leute, die da saßen.
    In Jerusalem gibt’s keine geilen Weiber, stellte er fest. Aber das ist auch besser so. Mit denen haben wir eh nichts am Hut, nicht wahr? Gleich wird Galit anrufen, dann geb ich dir das Telefon, und du sagst ihr Hallo, in Ordnung? Damit sie weiß, dass ich mit dir zusammen bin.
    Kein Problem, sagte Dori.
    Wir hatten so eine Szene, vor ein paar Monaten, erzählte Udi sehr viel leiser und beugte sich etwas vor, aber das bleibt unter uns, okay?
    Klar doch.
    Sie hat die Mail von einer Frau gelesen. Und gerade mit der hab ich überhaupt nichts gehabt, Bruder. Nur ein harmloser Flirt, verstehst du.
    Dori nickte, als Zeichen der Bestätigung, obwohl er es nicht verstand, denn er flirtete nicht.
    Aber sie hat mir einfach nicht geglaubt, kapierst du das?
    Dori nickte, als Zeichen,

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