Neuland
Sie genoss es sehr, zusammen mit Joavi und seinen neuen Freunden Artischocke zu essen. Doch dann kam Don Angel, rief sie und nahm sie auf eine Art an der Hand, die keinen Zweifel daran ließ, dass sie gehen musste. Na gut, dann bye , sagte sie ihnen, see you in heaven , antworteten sie, und Joavi beugte sich zu ihr vor und flüsterte mit seiner ganz eigenen Stimme: Tut mir leid, dass ich dich nicht umarme, Schwesterherz, ich würde ja gerne, wirklich, aber ich kann einfach nicht.
Inbar und Dori
verabschiedeten sich am Morgen vor dem Haus von Don Angel, dort, wo er sie am Tag zuvor erwartet hatte. Er gab ihnen Proviant für den Weg mit, zusammengesucht aus den vielen Geschenken, die ihm die Frau, deren Kind er behandelt hatte, bei Sonnenaufgang vorbeigebracht hatte: ein paar Früchte, etwas Gemüse, und ein Gebäck aus salzigem Teig, das wie Borekas aussah.
Es war eiskalt. Sogar noch kälter als in der Nacht. Dori rieb sich die Hände. Inbar schlang die Arme um sich und erinnerte sich an ihren Traum. Don Angel lachte ohne Grund. Dori erinnerte sich, dass er in einem Artikel über den Besuch des Dalai Lama in Israel gelesen hatte, der Dalai Lama habe die ganze Zeit gelacht. Inbar fragte sich, ob Don Angel wusste, dass Inbar auf Hebräisch ein Schmuckstein ist, in dem tote Insekten eingeschlossen sind, und ob er ihr deshalb diese Sache mit dem in ihr eingeschlossenen Toten gesagt hatte.
Keiner sprach. Zumindest die Menschen nicht. Aber die Vögel zwitscherten ihre Kommentare in Dutzenden von Stimmen.
Schließlich kam der Pick-up, den Don Angel für sie bestellt hatte, um sie zur Hauptstraße zu bringen. Er kam ganz und gar in eine Wolke eingehüllt.
Geht euren Weg, Inbar und Dori, sagte Don Angel, schubste sie ein bisschen, ihr werdet erwartet.
*
Kurz vor La Paz hielt der Linienbus für sie an der Haltestelle, an der man ein Taxi zum Flughafen bekommen konnte. Ihren Flug nach Buenos Aires hatten sie längst verpasst, doch hofften sie, dass man ihnen ein anderes Ticket geben würde. Kein Problem, sagte der Angestellte der Fluggesellschaft Aerolinas , doch der Umtausch von Flugtickets erfolge nur im Hauptbüro, und das sei im Stadtzentrum. Sie protestierten, und er bekundete aufrichtiges Mitgefühl und zeigte ihnen auf dem Stadtplan, wo genau das Büro sich befand.
La Paz offenbarte sich ihnen, kurz nachdem sie das Flughafengelände verlassen hatten, als eine Kette von Schluchten, die in ein Flusstal mündeten, doch floss darin kein Wasser, sondern Häuser standen auf so dramatischen Abhängen, dass man sich wunderte, warum sie nicht ins Wadi hinabstürzten. Im Flussbett selbst trieben keine Schiffe, sondern kleine Minibusse, Dutzende Minibusse, und einer von ihnen nahm Inbar und Dori mit bis zum Büro der Fluggesellschaft. Aber das Büro war geschlossen. Mit einem lächerlichen Fahrradschloss, aber trotzdem verschlossen. Bei der kurzen Recherche, die Inbar in der Bäckerei nebenan unternahm, stellte sich heraus, dass das Büro samstags früher schloss und erst am Montag wieder öffnen würde.
Ich hab uns etwas mitgebracht, um die bittere Medizin mit ein bisschen Salz verträglicher zu machen, sagte Inbar und reichte Dori eine weiße Papiertüte.
Was ist das? Er zog ein Gebäck heraus, das wie ein UFO aussah.
Salteñas , sagte sie, wahnsinnig gut, glaub mir.
Sie fanden keinen Platz, wo sie sich hinsetzen konnten, und so hockten sie sich vor dem geschlossenen Büro auf den Gehweg und lehnten sich an das Schaufenster – ihre Schultern berührten sich flüchtig, ihre Ellbogen, ihre Knie –, und sie verschlangen die salteñas.
Wirklich gut.
Sag ich doch. Da hat es sich doch schon gelohnt, dass wir den Flug verpasst haben, meinst du nicht?
Wenn ich alleine hier wäre, dachte er, würde ich mir Vorwürfe machen, dass ich den Flug verpasst habe und teure Zeit verschwende.
Wenn ich alleine hier wäre, dachte sie, wäre ich nicht hier. Das ist keine sehr sympathische Ecke der Stadt.
Ein Minibus fuhr mit offener Tür an ihnen vorbei, und ein Kindschrie ihnen aus der offenen Tür zu, ob sie mitfahren wollten. Rodriguez! Max Faredes! Cementerio! Cincuenta Centavos!
Noch nicht, dachte Dori, noch ein bisschen so bleiben. Soll der Minibus weiterfahren und wir nicht.
Noch nicht, dachte Inbar, noch ein bisschen so bleiben, soll sich die Welt weiter um ihre Achse drehen und wir nicht. Sie lehnte ihren Kopf an Doris Schulter. Nicht im Schlaf. Absichtlich.
Was sollen wir machen?, fragte sie, nachdem drei weitere
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