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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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auf dem Stuhl herumrutschst, sieht man, dass er dir wehtut. Kann das sein?
    Gern hätte Dori gesagt: Nein, das kann nicht sein! Du und deinesgleichen, ihr habt meinem Vater ins Hirn geschissen, aber an mich lass ich euch nicht ran. Doch das Kann das sein? von Don Angel klang dermaßen trocken; er versuchte überhaupt nicht, Eindruck zu machen.
    Könntest du bitte mal aufstehen?, bat er ihn. Dori stand auf. Der Mann legte ihm lange die Hände ins Kreuz und pfiff dabei eine Melodie.
    Dir fehlt eine Stütze, sagte er schließlich.
    Dori rückte ein bisschen von ihm ab und dachte: Jetzt hast du wirklich für mich Südamerika entdeckt.
    Nein, korrigierte sich Don Angel, es ist nicht so, dass du keine Stütze hast, du kannst sie nur noch nicht sehen. So wie wir unseren Rücken nicht sehen können, so siehst du noch nicht die Stütze, die du hast. Aber keine Sorge – er warf Inbar einen schnellen Blick von der Seite zu –, du bist auf dem richtigen Weg. Du machst alle richtigen Fehler.
    Richtige Fehler, sagte Dori, ich weiß ja nicht, ich habe eher den Eindruck, dass mir der Rücken wehtut, weil ich schon über zwei Wochen zu viel in Flugzeugen und Autobussen sitze.
    Vielleicht, sagte Don Angel mit seinem Lächeln, das Dori aufbrachte.
    Eines der Kinder kam ins Zimmer. Der Kleine hatte beinah japanische Mandelaugen. Er fragte seinen Vater etwas, bekam eine Antwort, versuchte zu feilschen, bekam dieselbe Antwort noch einmal und ging hinaus. Kinder sind Kinder sind Kinder.
    Don Angel nahm noch einen Schluck Mate und fuhr fort: Wie dem auch sei, ich würde dir empfehlen, einen Doktor Gav zu benutzen.
    Wie bitte? Dori war hellwach. Du hast meinen Vater getroffen? Warum hast du nichts gesagt?
    Der Schamane trank mit derselben Gelassenheit weiter und sagte: Leider bin ich deinem Vater nie begegnet.
    Woher weißt du dann von … diesem Doktor Gav ?
    Das Internet. Eine tolle Erfindung. Jedes Mal, wenn ich in La Paz bin, gehe ich dort ins Internet und suche nach medizinischen Neuerungen. Die meisten Medikamente der Pharma-Unternehmen machen mehr kaputt als heil, aber ab und zu findet man etwas Interessantes. Den Doktor Gav habe ich vor einem Monat in Israel bestellt, er ist noch nicht angekommen, aber sobald er da ist, werden wir hier ein paar davon nachbauen, für die alten Leute im Dorf.
    Inbar lachte. Daraufhin lachte auch der Schamane. Ein rollendes, schallendes Lachen.
    Kommt, sagte er, ihr hattet einen langen Tag. Eure Hängematten sind schon bereit.
    Nur noch einen Moment, sagte Inbar. Bisher war sie ziemlich still gewesen, hatte mit einer Mischung aus Spannung, Schmunzeln und Staunen verfolgt, was zwischen Dori und Don Angel ablief, und sich lieber nicht eingemischt.
    Soweit ich verstehe, sagte sie zögernd, könnt ihr, ich meine, können Schamanen einem helfen, mit Menschen in Kontakt zu treten … mit den Seelen von Menschen, die … schon … tot sind.
    Das passt jetzt nicht.
    Ich wollte nur fragen, ich hatte nicht vor …
    Don Angel wurde ernst. Du brauchst keine Hilfe, mit deinem Toten in Verbindung zu treten, Señorita Inbar. Im Gegenteil – erist in deinen Stein eingeschlossen, und vielleicht ist es an der Zeit, dass du ihn freilässt. Außerdem bin ich, das sagte ich euch schon, nicht darauf spezialisiert. Ich bin auf die Annäherung der Herzen spezialisiert.
    In Ordnung, ja klar, sagte Inbar und ließ ab.
    Kommt, es ist schon spät, ich zeige euch, wo ihr schlaft. Don Angel brachte sie in das Zimmer, in dem die Kinder schliefen.

Inbar
    Am Eingang in die kommende Welt stand eine Bude mit dem Schild »Information«. Sie beugte sich zu dem Fenster und fragte den Mann dahinter, wo sie Joavi finden könne. Der Mann, er sah ein bisschen wie Hoffmann aus, schickte sie ins Musikantenviertel in die Straße der Reinen Seelen, Hausnummer neunzehn. Sie klopfte dort an und Joavi öffnete ihr die Tür. Er entwand sich ihrer Umarmung und sagte, gut, dass du gekommen bist, Schwesterherz, uns fehlen gerade noch ein paar Wörter. Plötzlich saßen da auch John Lennon, Paul McCartney und Kurt Cobain und spielten zusammen, und sie gab ihnen Wörter in allen möglichen Sprachen. Sie war richtig gut, und Paul McCartney sagte zu Joavi, super, eine so begabte Schwester zu haben. Und Kurt Cobain sagte, nicht nur begabt, sondern auch hübsch. Danach legten sie ihre Instrumente beiseite und luden sie zum Artischockenessen ein. Da war eine Riesenartischocke, so groß wie eine Wassermelone, und sie aßen sie Blatt für Blatt. Bis zum Herz.

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