Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo

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hatte, wo die Wolldecken lagen, »denn nachts wird es hier furchtbar kalt«, verabschiedete sie sich von Inbar mit einem festen Kuss auf die Wange und von Dori mit kurzem Händedruck, tippte sich zum Gruß leicht an den Hut, wie ein Cowboy, und ging mit ihrem aufrechten Gang davon.
    Sie blieben noch einen Augenblick draußen stehen.
    Dori strich sich über die Bartstoppeln, als wolle er etwas vorschlagen. Wenn er mir jetzt anbieten würde, mit in seine Hütte zu kommen, dann hieße das ja wohl …
    Doch Dori war ganz mit seiner Mission beschäftigt und schlug vor, ein bisschen auszupacken und sich in zehn Minuten wieder hier zu treffen.
    In ihrer Hütte lag eine Matratze auf dem Boden, darüber hing eine nackte Glühbirne. Hebräische Texte mit spanischer Übersetzung hingen in bunten Rahmen wie Mobiles von der Decke. Verse von Jehuda Amichai, Rachel und Selda, und auch ein Zitat von Herzl, direkt über dem Kopfkissen: »Traum ist von Tat nicht so verschieden, wie mancher glaubt. Alles Tun der Menschen war vorher Traum und wird später zum Traume.« Schön, dachte Inbar und zog sich die Schuhe aus. Ihre schmerzenden Füße trafen auf einen weichen Teppich, dessen Unregelmäßigkeiten verrieten, dass seine Wolle von Hand gesponnen war. Seit sie Israel verlassen hatte, fühlten sich ihre Zehen das erste Mal zu Hause. In der Ecke der Hütte stand ein kleiner Stuhl, wie aus einem Klassenzimmer, mit einer grauen Rückenlehne von Doktor Gav . Daneben ein kleiner, viereckiger Tisch mit nur einer Schublade.
    Sie zog die Schublade auf, um ihren Pouch hineinzulegen, und entdeckte auf ihrem Boden die ihr allzu bekannte Zeichnung der Geige, und daneben stand: The Wandering Jew . Darunter mit schwarzer Tinte die Liste von Orten und Daten mit einem Zusatz: Neuland 2006 . Sie berührte die Tinte, und sie färbte leicht auf ihre Fingerkuppe ab.
    Frische Tinte bedeutete, er konnte nicht weit sein, ihr Wandernder Jude.
    Wer weiß, dachte sie und zog das Informationsblatt aus der Tasche, vielleicht würde sie ihn ja gerade hier treffen.

Neuland – Informationsblatt für Gäste
    Menschen, Brüder.
    Willkommen in Neuland – einer therapeutischen Community nach den Grundsätzen von Benjamin Zeev Herzl. Damit Euer Aufenthalt bei uns nicht nur angenehm, sondern auch bedeutungsvoll für Euch wird, solltet Ihr folgende Dinge über diesen Ort wissen: Die Farm Neuland wurde im April 2006 von einer Pioniergruppe unter der Leitung von Señor Neuland (Meni Peleg) gegründet, als Zentrum zur Förderung von weltanschaulich motiviertem Handeln für Israelis, die durch Südamerika reisen. Dennoch gehört es integral zum universalen Konzept von Neuland , für Menschen aller Nationen offen zu sein, sofern sie folgende Werte anerkennen:

    Gewaltlosigkeit – auf physischer, verbaler und seelischer Ebene –, damit jene, die aus Israel oder anderen traumatisierten Gegenden der Welt hierherkommen, Neuland als eine läuternde und heilsame Erfahrung erleben können.
    Gleichheit im heutigen Sinn – in Rechten und Pflichten, jedoch nicht in Bezug auf Privatbesitz. Neuland will eine Alternative zur kapitalistischen Gesellschaftsform, aber auch zum kommunistischen Modell des Kibbuz bieten.
    Geben – Alle Mitglieder von Neuland sind zu Freiwilligentätigkeiten in den umliegenden Dörfern verpflichtet. Dies entspricht der Vision Herzls, nach der das jüdische Volk als gesellschaftlicher Faktor des Fortschritts, der Bildung und der Weltoffenheit agiert.
    Offenheit gegenüber dem anderen – »Vom Menschen kommen wir, und zum Menschen kehren wir zurück«; und die Erlösungfinden wir im Nächsten. Deshalb öffnen sich die Mitglieder von Neuland gegenüber Fremden und Besuchern ebenso, wie sie sich einander innerhalb der Community öffnen.
    Bildung – Neuland ermuntert seine Mitglieder und Gäste, zu lernen und sich weiterzubilden, aus der tiefen Überzeugung heraus, dass man nur aufgrund des Studiums der Vergangenheit und der Kenntnis der Gegenwart die Zukunft träumen kann.

    Wichtige Bemerkung: Neuland versteht sich nicht als Alternative zu »Altneuland«, also zum Staat Israel. Unser Ziel zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es, diesen Staat herauszufordern, ihm einen Spiegel vorzuhalten und die Herzen zu bereiten, wenn ihr wollt, ein »Schattenstaat«, eine Art Schattenkabinett im Kleinformat, das den Staat Israel daran erinnert, was er einmal sein wollte. Und was er sein kann.
    Zusatz: Neuland ist keine Utopie, sondern eine real existierende Community und