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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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und rechts Wege aus fest gestampfter Erde ab: Jeder von ihnen lud sieein, zu erkunden, wohin er führte, und irgendwie waren diese Wege aufeinander abgestimmt, nicht in starrer Symmetrie wie in den Bahai-Gärten in Haifa, sondern in einer Art natürlicher Harmonie. Ein weiterer Unterschied zwischen Neuland und den Gärten der Bahai sprang sofort ins Auge: Junge Leute in dicken Pullovern und mit Wollmützen bevölkerten das Gelände, alles wimmelte von fröhlichem Leben. Ab und zu kam ihnen jemand entgegen (mit einer Schubkarre voll Kies, mit Holzbrettern, mit einem Lächeln), grüßte sie mit Schalom und ging weiter seiner Beschäftigung nach. Ein junger Mann in Stiefeln blieb stehen, verweilte mit dem Blick auf Dori, als müsse er für sich etwas klären. Ja, bitte?, fragte Dori in einem Ton, den Inbar von ihm nicht kannte, überhaupt nicht dorily corrrect , und der junge Mann schüttelte nur den Kopf und sagte, alles okay, Mensch, beruhig dich, alles in Ordnung, und ging weiter.
    Abgesehen von diesem Zwischenfall weckte ihr Erscheinen in Neuland kein besonderes Interesse. An den Weggabelungen saßen junge Leute auf bunt gestrichenen Bänken und unterhielten sich. Eine kleine Gruppe hockte um einen langen Tisch und aß, und eine andere Gruppe erzeugte das Klopfen, das Inbar schon bei ihrer Ankunft aufgefallen war: Auf einem kahlen Platz spielten sie Beachball, über ihnen eine an drei Pfosten befestigte Plane zum Schutz vor der Sonne. Der vierte Pfosten, bemerkte Inbar, fehlte. Auf den zweiten Blick entdeckte sie noch einige Dinge, die in Neuland fehlten: Im Schwimmbad am Ende eines der Wege war kein Wasser; es wirkte eher wie eine aufgerissene Wunde. Ein nach links abgehender Weg brach in der Mitte ab, als wäre die Erde ausgegangen. Und das oberste, neu errichtete Stockwerk des Farmhauses ähnelte eher einer Idee als einem echten Stockwerk. Doch obwohl so einiges fehlte, empfand Inbar, dass dieser Ort auf eine ganz eigene Art in sich ruhte. Er war gleichsam vollendet und ein bisschen vertraut. Wie der Held in Akira Kurosawas Träume , der in ein Bild von Van Gogh tritt und beginnt, in ihm herumzulaufen, dachte sie, dieser Ort ist mir unbekannt, aber nicht fremd.
    Eine junge Frau kam auf sie zu, die sich als Sara vorstellte, begrüßte sie und bot sich an, ihnen die Farm zu zeigen. Sie trug ein kariertes Hemd, das wie ein Männerhemd hätte wirken können, wenn Sara nicht so eine tolle Figur gehabt hätte. Unter ihrem lustigen Cowboyhut quoll ernstes, an die Dichterin Jona Wallach erinnerndes schwarzes Haar hervor und fiel über ihre Schultern.
    Vielen Dank, aber wir brauchen keine Führung, sagte Dori sofort, wir sind nur zu einem Treffen hier.
    Zu einem Treffen?
    Mit meinem Vater, Meni Peleg.
    Er ist dein Vater?! – in Sarahs Augen flackerte ein Funke von Ehrfurcht auf –, jetzt, wo du es sagst, ja, ihr seid euch wirklich ein bisschen ähnlich. Hat David dir schon mitgeteilt, dass Señor Neuland bis vier Uhr visioniert und man ihn dabei nicht stören kann?
    Ja, wir hatten schon die … Freude, David zu treffen.
    Hoffentlich hat er euch nicht verschreckt, sagte Sara mit einem Lächeln. Er ist ein bisschen verwundet … aber nicht gefährlich … er ist nicht der Einzige hier … das heißt, das ist einer der Grundgedanken dieses Ortes.
    Kannst du uns jetzt zu meinem Vater bringen?
    Das kann ich. Aber wie gesagt, bis vier Uhr – sie schaute zur Sonne, wie einer auf die Uhr schaut –, die Pause ist sowieso gleich um. Dann verzichten wir lieber auf die offizielle Führung, und ich begleite euch zu den Gästehütten, da könnt ihr erstmal eure Rucksäcke ablegen, okay?
    Dori nickte verhalten, etwas skeptisch, und sie machten sich auf den Weg. Das hier ist die Herzlallee, sagte Sara. Die Bäume sind – ach, ich bin so schlecht mit Baumnamen, ach ja, Paraíso . Und hier ist unser Gemeinschaftshaus. Ursprünglich wohnten hier die ersten Juden, die unter dem Patronat des Barons hierherkamen –
    Wir kennen die Geschichte, unterbrach Dori sie.
    Du hast recht, wir haben vereinbart, keine Führung.
    Sie gingen weiter und kamen noch einmal an dem Platz derBeachball-Spieler vorbei. Sag mal, fragte Dori wie ein Staatsanwalt beim Kreuzverhör, gehört auch Beachball zur Idee dieses Ortes?
    Sara lachte großzügig, ignorierte seinen Ton und erklärte, Beachball ist unser Nationalspiel hier in Neuland. Wie sagt Señor Neuland, dein Vater, immer? Nicht alles im Ursprungsland ist schlecht. Und Beachball ist einfach wunderbar,

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