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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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Und wir durften ihn nicht stören.
    Sie stellte sich Dori als kleinen Jungen vor, wie er vor der verschlossenen Tür stand, und es gab ihr einen Stich ins Herz. Und das habt ihr einfach so hingenommen?, fragte sie.
    Ich schon. Ich war ohnehin lieber bei meiner Mutter. Aber meine Schwester hat oft vor der Tür gestanden und laut geweint. Verdammt, ich glaub es nicht, dass wir hier sitzen und darauf warten, vom Guru eingelassen zu werden. Das macht mich wahnsinnig.
    Und er ist nicht herausgekommen, zu deiner Schwester?
    Am Ende schon. Am Ende hat sie ihn kleingekriegt, und er ist rausgekommen und hat sie beruhigt. Das ist der einzige Weg, von meinem Vater Liebe zu bekommen: schwach sein und laut um Hilfe rufen. Und darin war Ze’ela gut. Also, ist es jetzt vier?
    Noch zwei Minuten.
    Fuck you.
    An den Wänden der Eingangshalle hingen gerahmte, ausgeblichene Schwarz-Weiß-Fotos, Juden, die mitten auf einem brachen Feld standen, neben einem Pflug oder einem Pferd, in Kleidern, die sich nicht zum Reiten eigneten. Das waren die Juden, die der Baron Hirsch hierhergebracht hatte, erinnerte sie sich. Fröhlich sahen sie nicht aus, auf den Fotos. Aber auch nicht traurig. Vielleicht eher verlegen.
    Doris Knie hüpfte nervös, und sie legte ihre Hand darauf, um ihn zu beruhigen. Das half ein bisschen. Das Knie hüpfte zwar weiter, aber langsamer.
    Siehst du, was an der Tür des Gurus steht?, fragte er nach kurzem Schweigen.
    Sie kniff die Augen zusammen, versuchte, die Schrift zu erkennen. Lies es mir vor, sagte sie, indem sie leicht auf sein Knie drückte, ich kann das von hier aus nicht sehen.
    »Es war zu eng, ich musste die Flügel ausbreiten und wegfliegen, zu einem Ort wie dem Berg Nebo, wo man vielleicht weit in die Ferne sieht – und klar.«
    *
    Um Punkt vier Uhr Neuland-Zeit trat David ehrfürchtig an die Tür des Büros. Doch bevor er sie berührte, öffnete sie sich von selbst. Auf der Schwelle stand Doris Vater.
    Inbars erster Gedanke war: Wow, wie ähnlich er Dori sieht.
    Er tat ein paar Schritte in den Vorraum, erst dann bemerkte er die beiden.
    Dorinju?! Er erstarrte. Was machst du denn hier?

Dori
    Sein Vater umarmte ihn. Klopfte ihm nicht auf die Schulter und nicht auf den Rücken. Er umarmte ihn richtig. So viele Jahre hatte Dori sich nach dieser Umarmung gesehnt, aber jetzt war er es, der sie als Erster wieder löste. Zu viele Gedanken hinderten ihn daran, sich fallen zu lassen.
    Sie musterten sich von der Sohle bis zum Adamsapfel.
    Welch eine Überraschung, welch eine Überraschung, murmelte sein Vater. An seinem Ton war nicht zu erkennen, ob er eine gute oder eine böse Überraschung meinte.
    Dori schwieg. Eine Mischung von Wut und Erleichterung brodelte in seiner Kehle.
    Woher kommt ihr?
    Aus Buenos Aires, antwortete Dori.
    Dann müsst ihr sehr müde sein, sagte sein Vater liebevoll. Hat man euch schon die Gästehütten gezeigt?
    Ja, Sara hat sie uns gezeigt.
    Eine wertvolle Person, diese Sara, sagte sein Vater.
    Kurze Stille. Dori dachte, wie lächerlich sein Vater mit diesem Herzlbart aussah, in dem es schon graue Fäden gab.
    Wo sind deine Umgangsformen geblieben, fragte sein Vater, indem er mit dem Kopf auf Inbar wies, willst du mir die Dame nicht vorstellen?
    Ich bin Inbar, sagte Inbar, bevor Dori den Mund aufmachen konnte.
    Meni, sagte sein Vater und gab ihr die Hand. Sein Blick erforschte Inbars Augen, als suche er etwas in ihnen, dann lächelte er, als habe er es gefunden.
    Ich hab mich Doris Suche in Peru angeschlossen, sagte Inbar, und dann –
    Was suchst du denn, Junge?, fragte sein Vater. Seine Augen verrieten, dass er keinen Spaß machte und sich auch nicht dumm stellte.
    Dich, Papa, sagte Dori.
    Mich?
    Ze’ela hat sich furchtbare Sorgen gemacht. Du bist einfach abgetaucht, hast keine Mails mehr geschickt. Und was du geschrieben hast, war sehr befremdlich. Auch die Geschichten von Leuten, die dich unterwegs getroffen haben, waren … besorgniserregend.
    Aber –
    Ganz zu schweigen von deinem Tagebuch.
    Mein Tagebuch?
    Das, was du im Computer hinterlassen hast, auf der Sonneninsel.
    Sein Vater unterdrückte einen Seufzer, wie ein Politiker, den man mit einem dunklen Kapitel seiner Geschichte konfrontiert,und wie ein Politiker, den man mit einem dunklen Kapitel seiner Geschichte konfrontiert, wechselte er das Thema.
    Wie lang bist du schon unterwegs, Junge?
    Drei Wochen.
    Wow, das ist lang.
    Du hättest uns das ersparen können, wenn du uns auf dem Laufenden gehalten hättest.
    Ich konnte

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