Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
Vom Netzwerk:
nicht, verdammt, er konnte sie nicht finden –
    *
    Ejtan erwartet mich sicher schon draußen, sagte Inbar zu Dori, nachdem sie auf dem Ben-Gurion-Flughafen ihre Koffer vom Band genommen hatten; bei ihnen in der Familie gab es das nicht, dass einer alleine vom Flughafen nach Hause fährt.
    Dann verabschieden wir uns jetzt?
    Links und rechts von ihnen strömten die Leute zum Ausgang, in einer Hand den Rollkoffer, in der anderen das Handy. Links undrechts von ihnen marschierten ganze Armeen von Schuhen, und sie, wie in diesem ersten Café in Tumbes, in der Mitte wie eine Insel.
    Ja, dann verabschieden wir uns jetzt, sagte sie und nickte dabei. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mund. Kurz.
    Das musste ich tun, sagte sie. Und er, zunächst etwas überrascht, fasste sich, bekam Lust, schob seine Hände unter ihre Arme und hielt sie an den Hüften, zog sie an sich und erwiderte ihren Kuss. Länger. Und sie wühlte in seinem Haar, und er wühlte in ihrem, sie wühlten einander auf, klammerten sich an alles, was man festhalten konnte, um sich nicht zu entgleiten, Hals, Hüften, Beine, sie schlugen die Augen auf und schlossen sie wieder, um in einen weiteren Kuss einzutauchen, Zunge traf Zunge, Zunge umkreiste Zunge, Hände packten Hintern, mitten auf dem Flughafen, nach so vielen Gelegenheiten, wo sie es im Verborgenen hätten tun können, passierte es zum Schluss bei den Gepäckbändern, unter den Augen der Polizisten und der Heimkehrenden, ein Beben durchfuhr sie beide in derselben Sekunde, von den Steißbeinknochen bis in die Haarspitzen, und sie hielten kurz inne, um Luft zu holen, alles war so absolut neu, wie ein neues Land, er streichelte ihr Haar, roch daran. Sie küsste seinen Adamsapfel und dann mit kleinen Küssen den Hals hinunter und wieder hinauf mit kleinen Küssen bis zum Ohr, du weißt, dass … nicht wahr?, brummte sie, und er brummte zurück, ich weiß, und dann drückten sie sich aneinander, ganz fest aneinander, so lange und so fest, dass jede Stelle ihres Körpers eine Stelle seines Körpers spürte, all das, was sie nicht sagen konnten, drückten sie aneinander, die ganze Distanz, die sie bis Neuland aufgebaut hatten und überhaupt, drückten sich aneinander, die letzten Passagiere, deren Koffer nicht angekommen waren, hatten das schon am entsprechenden Schalter gemeldet, und sie drückten sich noch immer, zogen die Brust des andern an die eigne Brust, Herzschlag an Herzschlag, wie beim Slow auf einem Klassenfest, bis ihnen ein Geldwechsler barsch aus seinerSchalterkoje zurief, was ist denn mit euch los, habt ihr kein Zuhause?!
    *
    Sie lösten sich voneinander. Langsam. Köpfe, Hälse, danach den Bauch und das heilige Becken.
    Sie hielten sich noch ein Weilchen an den Händen, noch ein bisschen an den Fingern – dann trennten sich auch die.
    Sie standen sich gegenüber, ohne einander zu berühren. Zitterten am ganzen Leib.
    Ich hab noch nicht mal eine Telefonnummer von dir, oder eine E-Mail, sagte sie.
    Ein Muskel des Widerwillens zuckte in seinem Gesicht, und noch bevor er etwas sagen konnte, sagte sie schon: Ist vielleicht auch besser so.
    Und er nickte, warum sollen wir uns wehtun, und fügte hinzu, geh du zuerst raus. Ich warte noch ein bisschen. Und er küsste sie noch einmal, kurz und flüchtig, es fühlte sich schon ein bisschen an, als schickte er sie fort.
    Sie drehte sich um, hielt sich an ihrem Gepäckwagen fest, um nicht zu Boden zu sinken, und marschierte alleine Richtung Ausgang, durch das grüne Tor derer, die nichts zu deklarieren haben, und weinte, weinte endlich, das erste Mal seit fünf Jahren, das erste Mal seit Joavi –, nicht ein paar zufällige Tränen, die aus dem Auge über die Wange rollen, sondern einen richtigen Wasserfall, einen Iguazú der Tränen, sie flossen auf die Koffer, auf den Boden, und einige trank sie auch, während sie an den Zollbeamten vorbeischritt, in die Ankunftshalle und zu Ejtan, der dort, wie erwartet, stand, mit einem herzförmigen Ballon, als Allererster unter den Wartenden; in dem Moment, wo ihre weinenden Augen und sein leuchtender Blick sich trafen, rannte er zu ihr, umarmte sie, nur mit einer Hand, die zweite hielt den Ballon, und sagte, ist ja gut, mein Schatz, du musst nicht weinen, du bist zu Hause. Jetzt wird alles gut.

Lili
    Und dann, eines Morgens, als Hanna fünf Jahre alt war, hatte Fima die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit überschritten und an ihre Wohnungstür geklopft. Hanna war im Kindergarten

Weitere Kostenlose Bücher