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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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Nein, in diese Richtung. Unsinn, in die andere.
    In Inbar kam der Verdacht auf, dass es im ganzen Gebiet von Gusch Dan in diesem Moment vielleicht Dutzende verwirrter flüchtiger Großmütter gab.
    Sie konkretisierte ihre Beschreibung: Sie ist klein, volles Haar, altersgrau. Sie trägt ein Kleid und weiße Turnschuhe. Wir sorgen uns sehr um sie, denn vermutlich wird sie den Weg nach Hause nicht finden.
    Jetzt waren sich die Passanten nicht mehr so sicher, sie gesehen zu haben.
    Wenn ich sie nicht in ein paar Minuten finde, dachte sie, alarmiere ich Dori. Ich habe ihm geholfen, seinen Vater zu finden, dann soll er mir jetzt helfen, meine Großmutter zu finden.
    Es war früher Abend. Aus den Fenstern der Häuser schallten Kriegsnachrichten und auch ein Streit zwischen Vater und Sohn. Eine Bohrmaschine. Ein Song von The Fools of Prophecy . Und wieder Meldungen über den Krieg. »Seit Kriegsbeginn sind einhundertvierundsiebzig Neueinwanderer in Israel angekommen.« Unglaublich. Wie schlimm muss es hier noch werden, bis keine mehr kommen? »Das Schaf Lilusch hat die Grenze nach Libanon überquert und ist nicht zurückgekehrt.« Das arme Viech, hat bestimmt eine Katjuscha abgekriegt. »Einwohner aus Naharija, der vor den Katjuschas floh, stolperte über eine Sandale und wurde dadurch gerettet.« »Amerikanische Juden spenden eine Million Dollar für den Bau von Luftschutzbunkern in Israel.« Vielen Dank, wirklich nett von euch.
    Schon einige Wochen hatte Inbar ihre Wohnung, die zum Zufluchtsort der ganzen Familie geworden war, kaum verlassen. Anfangs zögerten ihre Schritte noch, wurden aber energischer und eiliger, je länger sie suchte. Sie schaute auch in die Gärten der Häuser. Vielleicht ruhte sich ihre Großmutter in ihrer Sehnsucht nach dem Carmel unter einem Baum aus. Vielleicht musste sie auch plötzlich ganz dringend pinkeln, wie damals, als sie zusammen von Haifa nach Jerusalem fuhren und sie Inbar ganz ohne Scham drängte, rechts ranzufahren, und ausstieg, sich hinter eine Bushaltestelle hockte und pinkelte.
    Ihre Mutter rief an: Hast du sie gefunden? Noch nicht? Ruf mich gleich an, wenn du sie findest.
    Dori würde kommen, dachte Inbar. Natürlich würde er kommen, wenn ich ihn rufen würde. Er bräuchte eine oder eineinviertel Stunden von Jerusalem hierher. Würde er mir zur Begrüßung einen Kuss geben? Auf die Wange? Auf den Mund? Würde ich den Mut aufbringen und ihm über seinen Haarwirbel streichen? Und was, wenn er nicht käme? Sie wurde besorgt. Würde er mit einer Ausrede kommen? Natürlich der Junge, er musste den Jungenauf eine Freizeit bringen, er musste den Jungen von einer Freizeit abholen, er musste mit dem Jungen zum Arzt, weil sein Fieber gestiegen war. Was dann? Und warum hat er mir nicht mehr geschrieben? Ich hab ihn so gerne gelesen. Stimmt, wir haben verabredet, uns nicht mehr zu schreiben und uns erst nach dem Krieg zu treffen, aber ich war mir sicher, dass er sich nicht daran halten würde.
    Sie ging an einer Baustelle vorbei. Am Bauzaun hingen Poster für ein Konzert von Depeche Mode . Die Poster hingen noch, obwohl die Band längst abgesagt hatte. »Lieber Parkwächter«, bat ein Zettel an der Windschutzscheibe eines blauen Mitsubishi, »ich bin gestern aus Haifa geflohen und übernachte hier bei Freunden. Bitte um Verständnis.« Ein Krankenwagen fuhr an ihr vorbei, die übliche Sirene. Aber vielleicht lag ihre Großmutter da drin? Vielleicht war das Laufen für ihr altes Herz zu viel gewesen und sie war mitten auf der Straße zusammengebrochen?
    Noch nicht, Omi, noch nicht. Tränen stiegen ihr in die Augen (seit der Damm auf dem Flughafen gebrochen war, weinte sie einmal am Tag, wenn nicht häufiger). Mach dich nicht jetzt aus dem Staub, ich kann mich noch nicht von dir trennen, ich muss dir noch was erzählen, mach dich jetzt bloß nicht aus dem Staub, Omilein, wie soll ich denn ohne dich lieben, wie soll ich ohne dich die Fragezeichen in meinem Herzen zu Ausrufezeichen umschmieden?

Dori
    Alle Väter außer ihm und Arnon Strusman standen mit Videokameras im Anschlag. Arnon Strusmans Frau redete seit der Scheidung nicht mehr mit ihm und kam zu den Veranstaltungen im Kindergarten mit ihrem neuen Freund, der die Videokamera hielt und den Jungen filmte, als wäre es sein eigener Sohn. Obwohl der Junge so gut wie nie zu ihm hinschaute, erschien Arnon Strusmanweiter zu allen Feiern, gekleidet wie ein Bräutigam. Er stand immer etwas abseits, immer etwas abseits und ohne Kamera.
    Heute

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