Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
Vom Netzwerk:
Literatur wählte, und nicht Mathematik und Physik. Damit, dass er so viele Jahre keine Freundin hatte, und als er endlich am Ende seiner Militärzeit eine hatte, da war sie keine Schönheit und konnteseinem Vater auch keine Antwort geben, als der sie an einem Freitagabend beim Essen fragte, was sie später einmal werden wolle. Er hatte ihn enttäuscht, weil er zum Armee-Geheimdienst und nicht zur kämpfenden Truppe ging und, als man es ihm anbot, nicht die Offizierslaufbahn einschlug. Sein Vater hatte damals nur »aber« gesagt und dann die Augen niedergeschlagen und geschwiegen. Vielleicht weil die Mutter ihm unter dem Tisch ein Zeichen gegeben hatte, und vielleicht auch, weil er zu diesem Zeitpunkt anfing zu verstehen, zu verinnerlichen, dass aus Dori nicht der Sohn wurde, den er sich vorgestellt hatte.
    Dennoch hatte Dori ihn völlig überrascht, als er erklärte, er wolle Gymnasiallehrer werden. Geh mal ins Lehrerzimmer, hatte sein Vater ihm gesagt, und schau, ob du eine Lehrerin findest, die glücklich ist mit dem, was sie macht. Geh du mal in eine Klasse, hätte Dori ihm gern geantwortet, und schau, ob du da ein Kind findest, das sich nicht nach einem guten Lehrer sehnt. Aber er hatte geschwiegen, denn er hatte das Gefühl, das Unverständnis zwischen ihnen beiden war zu tief, als dass ein Versuch, es zu überbrücken, noch Sinn gehabt hätte.
    Er ist nicht enttäuscht von dir, er macht sich nur Sorgen um dich, wollte seine Mutter vermitteln.
    Er sucht nach Wegen, sich dir anzunähern, und du merkst es gar nicht, hatte Roni ihm gesagt, nachdem seine Mutter gestorben war.
    Und er hatte gewusst, dass sie Recht hatte, wie immer. Denn ihnen beiden fehlte doch dieselbe Frau. Tatsächlich spürte er in der Trauerzeit bei seinem Vater eine größere Verletzbarkeit, die es Dori zum Beispiel ermöglichte, ihn während der Themenwoche zur beruflichen Orientierung in seiner Schule als Gastdozent für einen Vortrag zum Thema »Krisensituationen« einzuladen. Die Jugendlichen waren fasziniert, nein, sie waren gefesselt. Mit sechs- unddreißig sah er zum ersten Mal in seinem Leben, wie sein Vater einen Vortrag hielt, und er war überrascht, wie ähnlich ihre Handbewegungen waren, wenn sie sprachen, und wie klar und verständlich sein Vater die Worte wählte, ohne sich beim Publikumanzubiedern – ein Gleichgewicht, das nicht leicht zu finden war; und wie er seine PowerPoint- Präsentation einsetzte, ohne dass sein Publikum dabei verblödete. Und welche Geduld er mit Fragen hatte, die von allen Enden des Saals auf ihn niederprasselten, und wie die älteren Lehrerinnen ihn mit ihren eindeutigen Blicken musterten und beinahe auszogen, und nach dem Vortrag zu ihm hingingen, ihm Komplimente machten, und sich vortasteten, wie es dem frischen Witwer denn gehe, aber sein Vater war diskret und flirtete nicht, war er doch Mitglied in der konservativen Partei derer, die in ihrem Leben nur eine große Liebe haben, und vielleicht sogar ihr Vorsitzender.
    Nachdem alle gegangen waren, und nur sie beide zwischen den vielen leeren Stühlen standen, hatte sein Vater gesagt, danke, Dori, dass du mich eingeladen hast, das war eine erfrischende Abwechslung zu den Zynikern, vor denen ich normalerweise rede, ich hoffe, es hat den Kindern gefallen, und Dori sagte, was heißt da »gefallen«, das war großartig! Und schon begann Dori, im Kopf einen Plan für ihre Zusammenarbeit zu entwickeln, ja, vielleicht war das der Weg, ihm näherzukommen: gemeinsam etwas zu machen, Business und pädagogische Projekte zu verbinden. Sein Wissen aus der Geschäftswelt zu verwenden, um gefährdeten Jugendlichen zu helfen. Die Direktoren von Unternehmen mit Schulleitern zusammenzubringen und zu sehen, was sie voneinander lernen konnten. Und sie beide würden dieses Konzept vorantreiben. Sie würden sich treffen, sich E-Mails schreiben, eine gemeinsame Sprache finden.
    Aber dann war er gefahren.
    Hey, man , es ist genau, wie ich es mir gedacht habe.
    Dein Vater ist hier gewesen, sagt der plötzlich aufgetauchte Alfredo und zieht Dori hinter sich her, reißt ihn beinah von seinem Stuhl und drängt ihn auf die Straße. Wir haben das Kind, das ihn beklaut hat, erklärt er ihm unterwegs, und der Kleine hat uns gesagt, in welcher Straße er deinen Vater absichtlich mit dem Fahrrad angerempelt hat, und danach haben wir das Hostel ausfindig gemacht.
    Sein Name steht zwar nicht auf dem Rechnungsblock, denn er hat nicht bezahlt, aber der Besitzer erinnert sich sehr gut an

Weitere Kostenlose Bücher