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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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einen Mantel an, du wirst dich erkälten. Und seine kleinen ritterlichen Taten: Nurik, komm, ich trag dir die Tasche, ich mach dir die Tür auf, ich fahre zum Laden, Milch holen. Und die Komplimente, die er ihr machte: Seht ihr sie, eure Mutter, wie bildhübsch sie ist, pflegte er zu sagen, wenn sie sich selbst mit kritischem Blick vor dem Spiegel musterte. Eine echte Schönheitskönigin, antwortete sie dann, konnte aber nicht verbergen, dass sie das Kompliment genoss. Und er machte weiter Komplimente, auch als sie älter und breiter wurde, und auch in den letzten Phasen der Krankheit, als sie zu welken begann. Einmal, als er und Ze’ela noch klein waren, war sie zu einem Kongress nach Tiberias gefahren, und er war plötzlich verrückt geworden, hatte Opa Fima angerufen, er solle auf die Kinder aufpassen, und war in das Hotel gefahren, nur um sie ein paar Minuten zu sehen. Und sie hatten so einen ganz eigenen Humor, und viel davon. Er brachte sie zum Lachen, und dann brach aus ihr das schönste Lachen der Welt hervor: Ihre beiden Grübchen wurden auf einen Schlag tiefer, die grünen Augen funkelten, die Brille rutschte etwas von ihrer tanzenden Nase herunter. Am Anfang hatten Ze’ela und er noch um Erklärungen gebeten: Was war daran jetzt so lustig? Mit der Zeit begriffen sie, dass sie es auch nach den Erklärungen nicht verstanden. Und Vater hat um ihretwillen getanzt, Volkstänze. Obwohl er das nicht ausstehen konnte und auch keinerlei Begabung dazu hatte. Einmal in der Woche ging er mit ihr in den großen Saal im Gemeindezentrum, nur damit sie einen hatte, mit dem sie bei den Paartänzen tanzen konnte, jemanden, der ihr plump auf die Füße trat. Hauptsache, man schnappte sie ihm nicht weg, denn, so behauptete er immer, dieser ganze Volkstanz war doch nur ein Vorwand für Männer und Frauen, die fremdgehen wollten.
    Auch als sie sechzig war, hatte er noch Angst, man könne sie ihm entführen. Wegen eines besonderen Blicks, den er ihr zuschrieb, und den er unternehmungslustig nannte. Sie ärgerte sich und sagte, das bilde er sich nur ein. Dann sind sie ins Schlafzimmer gegangen und haben sich dort, nur dort, gestritten. Als Kind war das für Dori ganz natürlich. Doch als er Vater wurde, erschien es ihmübermenschlich, zumindest bewundernswürdig. In Netas erstem Jahr hatten Roni und er pausenlos gestritten. Wenn er es sah, wenn er es hörte, sogar wenn er weinte. Und beim Streiten hatte Dori sich gesagt: Hör auf, antworte einfach nicht mehr, das ist nicht gut für das Kind. Doch er hatte sich nicht stoppen können.
    Worüber haben seine Eltern gestritten? Woher soll er das wissen? Seinen Erinnerungen wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Wie gut kann ein Kind seine Eltern wirklich kennen? Wenn sein Vater tatsächlich solche Substanzen verwendet, dann ist doch alles möglich, oder?
    Und dennoch, wenn er damals sein Ohr an die geschlossene Tür hielt, hörte er oder meinte er zu hören, dass sie sich über sie, über die Kinder stritten. Der Vater warf Mutter vor, Dori wie ein Mädchen großzuziehen. Sie warf ihm vor, er verwöhne Ze’ela dermaßen, dass ihr das später im Leben nur schaden werde. »Ich will nur einmal hören, dass du ihr ›nein‹ sagst!«, war der Satz, der mehr als einmal durch die Tür zu ihnen herausdrang. Im letzten Jahr haben sie sich auch über ihre Krankheit gestritten. Er behauptete, sie gebe sich auf, sie kämpfe nicht genug, aus jeder Krise könne man gestärkt hervorgehen. Sie sagte ihm, er solle endlich aufhören, seine Strategien auf sie anzuwenden; wenn er nur einmal eine Chemo mitgemacht hätte, würde er anders reden. Nach diesem Satz hat er geschwiegen. Aber er hat nicht von ihr abgelassen und blieb standhaft und unterstützend an ihrer Seite.
    Auf der onkologischen Abteilung hatten Ze’ela und er sie ziemlich oft besucht. Sein Vater dagegen musste sie gar nicht besuchen, er war schon dort, Tag und Nacht, bis zur letzten Stille.
    Der Geschmack von Sehnsucht steigt in Doris Hals auf; er steht von seinem Bett auf, um etwas zu trinken. Danach läuft er im Zimmer hin und her, diagonal wie eine angestoßene Billardkugel. Plötzlich kommt ihm eine Idee: Sein Vater hat doch hier, in diesem Zimmer geschlafen. Vielleicht hat er etwas hinterlassen? Vielleicht ist ein Zettelchen aus einer seiner Taschen herausgefallen? Eine Eintrittskarte zum Museum? Eine Busfahrkarte?
    Emsig beginnt er zu suchen, schiebt Stühle hin und her, zieht die Schubladen aus dem Tisch, nimmt Bilder von

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