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Neuland

Neuland

Titel: Neuland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskhol Nevo
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ganze Sache ins Lächerliche. Versuch es wenigstens mal, hatte er ihm immer auf den Rückfahrten gesagt. Von Anstarren allein ist noch nie und bei keinem was rausgekommen, Junge. Versuch es wenigstens mal! Und seine Mutter hatte ihn sofort in Schutz genommen. Jeder hat sein eigenes Tempo, Meni. Und es gibt Mädchen, die mögen gerade schüchterne Jungs.
    Diesmal würde es passieren, dachte er. Er wusste noch nicht, was genau, aber er war sich sicher, dass er es im Sinai wagen würde. Der Sinai war weit weg. Im Sinai übernachtete man in Zelten. Im Sinai sonnenbadete man, drehte sich vom Bauch auf den Rücken, auf den Bauch. Schnorchelte. Bislang waren seine Eltern nie bereit gewesen, dorthin zu fahren, aber bald sollte der Sinai an Ägypten zurückgegeben werden, deshalb war das die letzte Gelegenheit.
    Auf der Fahrt von Jodvata nach Eilat spielten sie im Auto ihr bewährtes Spiel zum Verbringen von Familienzeit: Personenraten. Ze’ela kannte viel mehr berühmte Leute als er, und sie erriet die gesuchte Persönlichkeit immer viel früher als er. Wenn dann ihre Mutter drankam, wählte sie jemanden aus, den Dori bestimmt kannte, zum Beispiel einen Basketballspieler, aber das war so durchsichtig, dass es ihm keine Genugtuung bereitete.
    Sein Vater war erst ganz normal gewesen. Kein Anzeichen für das, was später kommen würde. Als Ze’ela, zehn Minuten nachdem sie Jodvata verlassen hatten, verkündete, sie müsse Pipi machen – wie viel Pipi sie immer hatte –, schaltete er den Blinker an und fuhr rechts ran. Aber Papa, hatte Dori protestiert, so verlieren wir alle anderen; Ze’ela soll sich noch ein paar Minuten beherrschen. Undsein Vater hatte gesagt: Keine Sorge, Junge. Dann hatte er gelächelt und hinzugefügt: Lital wird schon auf uns warten.
    Als Ze’ela zurückkam, bat sie ihn, eine Kassette von Michael Jackson einzulegen, und so fuhren sie zu dem entsetzlichen Lachen am Ende des Songs Thriller nach Eilat hinein. Ein Fünfsternehotel wäre geil gewesen, meckerte Ze’ela.
    Was bist du verwöhnt, du kannst ja aussteigen, stichelte Dori, wir kommen auch ohne dich zurecht. Sie trat ihn mit ihren Ballerina-Schuhen – wer fährt bitte mit Ballerina-Schuhen in den Sinai! Und wie immer mischte sich sein Vater genau eine Sekunde bevor Dori zurücktreten konnte ein. Wir fahren in ein Hotel mit Millionen Sternen, verkündete er. Ich habe ein Zelt mit durchsichtiger Decke gekauft, da werdet ihr so viele Sterne haben, wie ihr nur wollt.
    Sie waren bereits in Eilat, hatten auch die Kräne am Hafen schon hinter sich gelassen, und er sprach noch immer von diesem Zelt, das er gekauft hatte. Unglaublich.
    In Taba warteten die anderen Familien auf sie; neben einer Getränkebude. Ein Wind aus Süden verwuschelte das honigfarbene Haar von Lital Aschkenasi. Sie hatte sich umgezogen und trug nun ein umwerfendes Strandkleid – wann hatte sie das geschafft? –, lehnte an dem Subaru der Eltern und schaute ihn an.
    Und dann war es passiert.
    Statt allen das Zeichen zur Weiterfahrt zu geben, hatte sein Vater den Wagen mit einer unnötigen Vollbremsung zum Stehen gebracht, den Sicherheitsgurt geöffnet und war geflohen, nicht gelaufen. Er war aus dem Auto gesprungen und losgerannt. Ein paar Dutzend Meter weiter hielt er bei einem anderen Eiswagen, umkreiste ihn und verschwand dahinter. Sie wollten ihm mit Mutter hinterherrennen, doch die erlaubte ihnen das nicht. Ihr bleibt im Auto, rief sie mit einer Stimme, die einem das Blut gefrieren ließ und die sie noch nie zuvor gehört hatten.
    Nach ein paar Minuten war Lital Aschkenasi an Doris Fenster gekommen und hatte gefragt: Was ist denn mit deinem Vater?
    Nichts, antwortete Ze’ela an seiner Stelle. Er ist pinkeln gegangen. Keine Sorge, er kommt gleich wieder.
    Und ein paar Minuten später kam sein Vater tatsächlich zurück. Er hatte einen merkwürdigen, ausdruckslosen Blick. Mutter hielt seine Hand, wie man die Hand eines kleinen Kindes hält.
    Sie setzte ihn auf den Beifahrersitz und ging mit den anderen Familien reden. Fahrt ihr, sagte sie, Meni fühlt sich nicht gut. Wir kommen später nach.
    Bye, bis bald, sagte Lital, und bevor sie in den Wagen der Eltern stieg, hatte sie ihm noch einen letzten Blick zugeworfen, in dem der Funken eines Versprechens aufleuchtete.
    Und dann begann die Zeit des Wartens. Sie saßen lange Minuten im Auto und warteten auf etwas. Ze’ela fragte, ob sie ihre Musik einlegen könnten, und Mutter meinte, das passe jetzt nicht. Sein Vater atmete

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