Neulandexpedition (German Edition)
Vortag.
Langsam sollte ich wohl aufpassen, die Sache mit der Infotafel auf der Stirn war anscheinend doch nicht so abwegig.
Allerdings war Elias auch mein bester und ältester Freund. Sonst erzählte ich ihm wirklich alles! Doch dieses Mal konnte ich es nicht.
Damals, als ich mich in Rike verliebt hatte, war es schon schwer gewesen. Einfach aus der Angst heraus, mich total lächerlich zu machen, weil diese Göttin schließlich niemals einen Ork wie mich wahrnehmen würde.
Denn nebenbei bemerkt, besonders toll sehe ich nicht aus. Seit einem sehr schmerzhaften Zusammentreffen mit einem Fußball im Alter von zwölf ist meine Nase schief.
Was meine Mitmenschen bestreiten. Sie wäre eventuell nicht ganz gerade zusammengewachsen, mehr nicht. Für mich ist sie schief und fertig!
Eine tolle Augenfarbe, mit der ich vielleicht punkten könnte, besaß ich auch nicht. Sie waren braun, aber nicht schön dunkel oder so etwas, nein, ein ganz seltsames Hellbraun. Passend zu meinen Haaren.
Würde ich mich selbst bewerten, wäre ich mittelmäßig, durchschnittlich halt. Auf einer Skala von Eins bis Zehn eine ... hm ... Vier plus vielleicht. Allerdings nur an guten Tagen, an schlechten 'ne Drei. Also bei weitem nicht Mister LoverLover, der Jo dazu überreden könnte, mit ihm zusammen ans andere Ufer auszuwandern. Was sowieso vollkommen verrückt war und ich mir deswegen am Besten gleich aus dem Kopf schlug. Ich würde eh absaufen.
„Okay, okay, dann glaub ich dir mal“, knurrte Elias. Warf mir aber dennoch weiterhin nachdenkliche Blicke von der Seite zu. Schwer seufzte ich.
„Gut, du hast gewonnen. Ich hab mich verknallt“, gab ich schließlich zu und notierte mir gedanklich, mich nie wieder freiwillig zum Brötchen holen zu melden. Schon dreimal nicht, mit meinem neugierigen besten Freund, dessen zweiter Name Zitronenpresse war! Und so was am frühen Morgen und auf nüchternen Magen. Folter war doch verboten, oder?
„Ha, wusste ich's doch!“, triumphierte Elias. „Und, wer ist sie?“
Sie, natürlich sie, was auch sonst! Was würde er wohl sagen, wenn ich ihm eröffnete, dass es keine „Sie“ war?
Sicherlich würde er mich nicht angeekelt verstoßen oder so, aber begeistert wäre er wohl auch nicht.
Ihm diese pikante Neuigkeit ausgerechnet bei diesem Ausflug zu beichten, mit seiner garantierten Schlussfolgerung, um wen es sich bei meinem Herzblatt handelte, wollte ich mir sicherlich nicht antun. Also tat ich, was ich in der letzten Zeit so hervorragend konnte - ich log.
„Kennst du nicht.“
„Und, wie ist sie so? Auch so toll wie Rike?“ Seine Augen strahlten geradezu vor Begeisterung. Kurz dachte ich über seine Frage nach. War Jo so toll wie Rike?
„Besser“, rutschte es mir heraus und Elias' Grinsen verstärkte sich.
„Ey Mann, besser? Wow, das freut mich so für dich!“ Es klang ehrlich. Verdammt, so absolut ehrlich und ich log hier, dass sich die Balken bogen. Mein schlechtes Gewissen bescherte mir gleich eine leichte Übelkeit, oder es war der Hunger, so genau konnte ich das nicht unterscheiden.
„Spruchreif ist das noch nicht, okay? Wir sind nicht zusammen. Ich weiß auch gar nicht, ob daraus was wird“, beeilte ich mich. Mir fehlte gerade noch, dass Elias die Neuigkeit in seiner Euphorie gleich in der Gruppe hinausposaunte. Auf die darauffolgenden Fragen hatte ich weder Lust noch Antworten; vor allem was Jo betraf. Ich wollte ihn nicht anlügen, aber ihm die Wahrheit sagen, eine Wahrheit, die ich selbst gerade erst verdaute, konnte ich auch nicht.
„Klar, ich schweige wie ein Grab“, giggelte er und stieß mich an. Oh Mann, ich hoffte es! Ansonsten würde ich ihn in Selbiges eigenhändig befördern. „Ich dachte echt, die Trennung und das alles zieht dich so runter. Hättest mir ja auch schon früher was sagen können!“
„Genau genommen gibt es da noch nix zu erzählen. Ich bin verknallt. Mehr auch nicht.“
„Das wird schon“, meinte Elias zuversichtlich.
Nein, das wird es nicht, aber das konnte ich ihm unmöglich sagen, also zwang ich mich zu einem Lächeln.
Endlich kam der kleine Kiosk in Sicht, wo wir uns mit einer riesigen Ladung Brötchen eindeckten. Elias seine Zigaretten erstand, ich Kaugummi und ein kleines Päckchen Aprikosenmarmelade für Johan.
Verstehen konnte ich's zwar nicht, aber der Mann war süchtig nach dem Zeug und brauchte morgens seine Dosis. Ich war mir allerdings ziemlich sicher, dass der Trottel erst bemerken würde, dass er etwas vergessen hatte –
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