Neulandexpedition (German Edition)
auf.
„Hm ja, aber ich hab nichts anders erwartet.“ Tröstend zog er mich wieder an sich und murmelte an mein Ohr:
„Trotzdem Scheiße.“
Ja, dass war's, aber ich hatte befürchtet meine ganze Familie zu verlieren, da war diese Bilanz erträglich.
***
„Och Mensch, wasen das für 'n Idiot?“, nuschelte Bjorn am nächsten Samstagmorgen neben mir und vergrub den Kopf unter dem Kissen, um das Klingelgeräusch zu dämpfen. Genau das Gleiche fragte ich mich auch.
Donovan spielte irgendwo in Hessen und würde nicht vor Sonntagabend wieder eintrudeln, außerdem besaß der einen Schlüssel. Die Clique schloss ich ebenfalls aus, keiner wäre so lebensmüde uns um – ich schielte zur Uhr – halb neun aus dem Bett zu schmeißen. Aber wer auch immer das war, er war hartnäckig und daher quälte ich mich verschlafen aus dem Bett. Als ich allerdings die Tür öffnete, staunte ich nicht schlecht. Dabei sollte es mich gar nicht so sehr wundern; diese Angewohnheit hatte er immerhin bereits als Kind gehabt. Achim stand vor mir und wirkte teils grimmig, teils unsicher.
„Was willst du?“, erkundigte ich mich und unterdrückte den Wunsch, ihm die Tür vor der Nase zuzuknallen. Nach unserem letzten unerfreulichen Treffen herrschte nämlich tatsächlich Funkstille und sein kleines Andenken verblasste langsam. Auf einen Nachschlag hatte ich keinen Bedarf.
„Ich wollte ... na ja, ich bin hier, weil ich mich entschuldigen wollte“, meinte er unbehaglich und vergrub die Hände in den Jackentaschen. Prüfend musterte ich ihn. Ich kaufte ihm diese Reue nicht wirklich ab. Allerdings hatte er sich bei mir noch nie für irgendetwas entschuldigt, also konnte ich da nun keinen Vergleich ziehen.
„Hat dich Papa oder Mama dazu überredet herzukommen?“, mutmaßte ich.
„Nein, was denkst du denn? Sie wissen gar nicht, dass ich hier bin. Du bist mein Bruder und bleibst es auch, egal ... egal was du treibst“, nuschelte er, sah mir aber nicht in die Augen. „Und das mit dem ... dem Kinnhaken tut mir leid.“
Einen Moment zögerte ich, öffnete die Tür dann aber ein Stück weiter und trat beiseite.
„Willst du vielleicht reinkommen?“, bot ich an, sah sein Zaudern, bevor er schließlich doch nickte und mir in die „Küche“ folgte. Zuerst schwiegen wir beide, als wir uns an den Tisch setzten, dann begann er jedoch, erneut zu sprechen.
„Es war nur ... Ich war überrascht und es war ... heftig. Damit hab ich einfach nicht gerechnet. Ich mein, hey, du warst zwar immer schüchtern und so, aber das...“
„Aber du hast es mir doch eh immer gesagt“, entgegnete ich verblüfft. Ich war wirklich davon ausgegangen, dass er es zumindest geahnt hatte.
„Aber bloß als Witz! Ich hab nie gedacht ... Lag es daran? Bist du etwa deswegen... “
„Quatsch! Ich bin schwul, weil ich es schon immer war. Man ist es oder eben nicht“, zuckte ich die Schultern, dennoch musterte er mich jetzt eindringlich. Überzeugt schien er nicht. Gott, das würde noch ein langer, langer Weg.
„Du bist jetzt also ... Es ist dieser Bjorn, oder?“ Mein Bruder war noch nie sehr gewandt mit Wörtern gewesen – außer er warf mit Beleidigungen um sich – aber so stotternd hatte ich ihn noch nie erlebt.
„Ja, ich bin mit Bjorn zusammen“, nickte ich und er verzog leicht den Mund, unterdrückte es aber gleich darauf wieder.
„Na ja, ich werd' mich schon dran gewöhnen. Ist schließlich dein Leben, ne“, lachte er, doch klang es irgendwie nicht echt und leicht gequält.
„Ja, und das lebe ich jetzt endlich auch. Ich habe keine Lust mehr, mich dauernd zu verstecken und selbst zu verleugnen“, erwiderte ich ernst und sah ihm direkt in die Augen. Er schluckte hart.
Ich hatte keine Ahnung, ob er mich verstand. Ich hatte mir stets gewünscht, dass unser Verhältnis besser wäre, dass er mich akzeptierte. Er hatte es aber nie wirklich getan. War das hier vielleicht ein Anfang?
„Klar“, nickte er nun übertrieben heftig und versuchte sich an einem Lächeln.
„Willst du bleiben und ihn kennenlernen?“ Das rutschte mir einfach so heraus und der Schock in seinen Augen verriet mir eindeutig, dass dies nicht der Fall war. Doch Achim hatte sich auch schnell wieder im Griff.
„Ist er hier?“ Auf den Gedanken schien er erst jetzt zu kommen. Unbehaglich warf er einen Blick über die Schulter, als erwartete er, dass ihn gleich jemand ansprang.
„Ja, er ist im Bad. Ich frag ihn mal, ob er diese Begegnung so früh am Morgen schon
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