Neumond: Kriminalroman (German Edition)
verheiratet.«
Morell lächelte zufrieden. »Und schon haben wir ein Motiv. Dann werde ich mir diesen Fitz doch mal ansehen. Wo kann ich ihn finden?«
Jäger schaute auf die Uhr. »Um diese Zeit müsste er eigentlich in der Metzgerei sein.«
»Er ist Metzger?« Dem strikten Vegetarier Morell, der jegliche Form von toten Tieren hasste wie die Pest, wurde ganz flau im Magen.
»Ja, ich kann Sie gern hinfahren.«
Morell, für den der Fall gerade sehr viel an Reiz eingebüßt hatte, nickte schwach. »Das wäre nett.«
11
Nina Capelli ließ sich völlig geschafft auf das Bett in ihrem Zimmer fallen. Der Urlaub fing ja nicht gerade gut an: Erst musste sie ihre Anreise verschieben, weil ein besoffener Raser einen fiesen Unfall gebaut hatte und sie sich um die Leichen kümmern musste, und dann ließ Morell sich auch noch von diesem Inspektor Danzer mit Arbeit eindecken – das roch förmlich nach Stress, und Stress war momentan genau das, worauf sie am allerwenigsten Lust hatte. Die letzten Wochen waren anstrengend genug gewesen – zu viele Tote, zu viele knifflige Todesursachen. Darum hatte sie sich wie ein kleines Kind auf diese Woche unter den Lebenden gefreut und war nun sehr darauf bedacht, dass nichts ihr Urlaubsglück trübte. Alles sollte perfekt sein.
Das Hotelzimmer war da schon mal ein guter Anfang: Es war sauber und gemütlich, die Tapeten waren in einem dezenten Altrosa gehalten, das gut zur Bettwäsche und dem Teppich passte, die Kopfkissen waren weich und rochen gut nach Waschmittel, und die Aussicht auf die Berge war einfach grandios. Nina kam langsam zur Ruhe und genoss, dass die Anspannung mehr und mehr von ihr abfiel. Sie duschte heiß, wickelte sich in ein großes, flauschiges Handtuch und fing damit an, den Inhalt ihrer Tasche auszupacken.
»Nanu«, wunderte sie sich, als sie die Tür des rustikalen Holzschranks öffnete und diesen völlig leer vorfand. Leander hatte also noch nicht einmal ausgepackt. »Typisch«, murmelte sie und schaute sich um. Tatsächlich stand der Koffer ihres Freundes – offensichtlich unausgepackt – neben dem Bett. Sie schleifte ihn zum Schrank, griff zum Verschluss und schmunzelte. Wahrscheinlich war der gesamte Inhalt ein Riesenchaos. Leander hatte sich sicher nicht die Mühe gemacht, seine Sachen schön zusammenzufalten, sondern einfach alles wild in den Koffer gestopft und darauf spekuliert, dass sie sich schon darum kümmern würde.
Nina hielt inne. Was war das? Das Schloss ließ sich nicht öffnen. Sie versuchte es ein zweites Mal. Komisch. Klemmte es etwa? Sie rüttelte erst daran, kniff dann die Augen zusammen und begutachtete es von allen Seiten. Nein, es klemmte nicht – es war abgesperrt. »Hä?« Sie rückte ihre Brille zurecht und grübelte. Warum sollte Leander seinen Koffer absperren? Hatte er ihn etwa noch gar nicht geöffnet? Sie schaute sich um und entdeckte ein paar Klamotten, die unachtsam über eine Stuhllehne geworfen worden waren. Natürlich hatte er ihn schon geöffnet – er musste ja seinen Skianzug und frische Unterwäsche herausgenommen haben. Aber warum hatte er ihn dann wieder abgeschlossen? Seine Brieftasche hatte er ja wohl dabei, und sonst gab es in seinem Gepäck sicher nichts Wertvolles, das es sich zu stehlen gelohnt hätte. Irgendetwas stimmte hier nicht.
»Seltsam.« Nina stellte den Koffer zurück und ließ sich erneut aufs Bett fallen.
12
»Ausgerechnet ein Metzger.« Morell stand vor der Auslage der Metzgerei Fitz und versuchte, die Abscheulichkeiten, die darin angepriesen wurden, zu ignorieren. »Grausig«, schimpfte er leise, betrat den Laden und stellte sich in der Schlange vor der Theke an.
Der Anblick der Fleischstücke, die in allen Formen und Farben herumhingen und -lagen, löste in ihm einen starken Fluchtreflex aus. Er versuchte, so wenig wie möglich auf die unzähligen Schinken, Schweinshaxen oder Würste zu sehen und blickte lieber auf den Boden.
»Hallo?! Sie da?! Sie sind dran«, wurde er aus seiner Starre gerissen. Er sah auf und blickte direkt in das teigige, blasse Gesicht einer übergewichtigen Mitvierzigerin in einer weißen Schürze. »Was hätten Sie denn gern?« Sie deutete mit einer langen Fleischgabel auf den Inhalt der Wursttheke.
Morell schüttelte den Kopf und machte mit seinen Händen eine abwehrende Geste. »Nichts. Danke. Ich wollte mit Herrn Fitz sprechen. Ist er da?«
»Worum handelt es sich denn?«
Morell überlegte kurz. »Um eine Privatangelegenheit«, sagte er
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