Neumond: Kriminalroman (German Edition)
Einrichtung war verspielt, bunt und nicht allzu teuer. Überall an den Wänden hingen Postkarten, Urlaubsfotos und Kunstdrucke, und auf einer weißen Couch saß, zwischen einer Vielzahl von bunten Kissen, ein alter Teddybär, dem ein Auge fehlte. »Miez, Miez!«, lockte Morell, ging auf die Knie und schielte unter die Couch.
»Vorsicht, Sissi ist nicht gerade die Allerfreundlichste«, rief Frau Jäger laut hinter ihm – doch es war zu spät. Ein fauchendes, schwarzes Haarknäuel kam völlig aus dem Nichts auf ihn zugeschossen und krallte sich in seinen Unterarm.
»Au, verdammt!« Morell zog seinen Arm reflexartig unter der Couch hervor, schüttelte das Biest ab und rieb die Stelle, an der es ihn attackiert hatte.
»Sissi schau mal, was ich da Schönes für dich habe …« Jäger schüttelte eine Schachtel mit Katzenfutter, so dass ein raschelndes Geräusch entstand. Die Katze gab ein lautes Maunzen von sich und rannte sofort zu ihrem Fressnapf.
»Das arme Ding muss ja schon ganz wahnsinnig vor lauter Hunger gewesen sein.« Morell inspizierte seinen Arm, der an einer Stelle leicht blutete.
»Sie sind ja anscheinend ein echter Katzenfreund, aber Sissi ist leider immer so garstig. Vor allem zu Menschen, die sie nicht kennt.«
Morell betrachtete die Katze, die sich wie ein wildes Raubtier über ihr Trockenfutter her machte. »Als Wachhund ist sie sicher besser als jeder Rottweiler. Na, ich geh mal kurz ins Bad und klebe ein Pflaster auf die Wunde. Sehen Sie sich doch schon mal im Schlafzimmer um. Vielleicht fällt Ihnen ja irgendwas auf. Danach können wir uns gemeinsam das Wohnzimmer vornehmen.«
Beate Jäger zögerte.
»Alles okay?«, fragte Morell.
»Ja … schon … ich fühle mich nur nicht sonderlich wohl dabei, in Sabines intimsten Sachen herumzuschnüffeln. Das fühlt sich irgendwie nach Verrat und Vertrauensmissbrauch an.« Ihre Stimme begann zu zittern.
»Das kann ich gut nachvollziehen. Aber wenn wir Sabines Mörder finden wollen, müssen wir alle Mittel und Wege, die uns zur Verfügung stehen, ausschöpfen. Außerdem bin ich mir sicher, dass es Sabine in Anbetracht der Situation nichts ausmachen würde – nein, ich glaube sogar, dass es ihr sehr recht wäre, dass wir so vorgehen.«
»Na gut. Dann mal los.«
Morell betrat das kleine Badezimmer und studierte die vielen Tuben und Tiegel, die fein säuberlich in einem Regal aufgestellt waren. »Bodylotion, Augencreme, Haarkur, Anti-Spliss-Serum, Rouge, Lippenbalsam …«, las er leise vor. Von Pflastern oder Verbandszeug keine Spur. Er inspizierte die Flaschen am Badewannenrand, durchstöberte ein kleines Bastkörbchen auf dem Fensterbrett und öffnete schließlich das Kästchen unter dem Waschbecken. Darin fand er einen Fön, Lockenwickler, ein Glätteisen und andere skurrile Sachen, deren Namen er nicht einmal kannte. Wofür brauchten Frauen denn nur so viele Dinge? Er kam schon seit Jahren mit nicht mehr als einem Kamm, einem Rasierapparat, Aftershave und vielleicht einer Dose Nivea-Creme über die Runden. Er zuckte mit den Schultern, suchte weiter und fand endlich – hinter einem Jahresvorrat an Tampons – einen kleinen Verbandskasten. Doch als er die Schachtel mit Pflastern herausnahm, hielt er verwundert inne. Was war das denn? Ganz unten auf dem Boden lag etwas Geblümtes. Er holte alle Erste-Hilfe-Utensilien heraus, griff sich das bunte Ding und stieß einen leisen Lacher aus – der Verbandskasten hatte als Versteck für ein kleines Fotoalbum gedient. »Danke, Sissi«, murmelte er. »Das hätte ich ohne dich nie entdeckt.«
Er schlug die erste Seite auf, und sofort war das Massaker auf seinem Arm vergessen. In dem Album befanden sich mehrere Fotos, die Sabine Weigl mit einem großen, breitschultrigen Mann mit lockigem braunen Haar zeigten. Zwischen den Seiten lagen mehrere handgeschriebene Blätter, bei denen es sich offensichtlich um Liebesbriefe handelte.
»Im Schlafzimmer ist mir leider nichts Außergewöhnliches aufgefallen«, platzte Beate Jäger ins Bad.
»Dafür habe ich hier etwas sehr Interessantes gefunden.« Morell hielt ihr das Fotoalbum und die Briefe entgegen. »Sagten Sie nicht, dass Frau Weigl Single gewesen sei?«
Die junge Frau schaute sich die Fotos an und schüttelte anschließend entgeistert den Kopf. »Das ist ja der Klaus Fitz … das wusste ich ja gar nicht, dass die was miteinander hatten.«
»Gibt es einen Grund, warum Ihre Freundin diese Beziehung verheimlicht hat?«
»O ja. Fitz ist nämlich
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