Neumond: Kriminalroman (German Edition)
du mitfahren. Ich kenn’ den Sepp, der hat sicher nichts dagegen«, warf sich die orangefarbene Strähne ins Gespräch.
»Nein danke.« Kathi war von den unbeholfenen Avancen sichtlich genervt.
»Wir könnten auf die Kogleralm düsen und den Abend auf der Hütte verbringen«, gab er nicht auf.
»Jetzt hör auf, Peppi! Ich muss hier aushelfen. Ich hab’ keine Zeit.«
»Dann halt am Wochenende. Oder irgendwann nächste Woche. Der Schlitten ist echt total scharf.«
»Jetzt gib endlich Ruhe, und hör auf mit diesen Angebergeschichten! Der Rainer hat sicher keinen neuen Schlitten. Der hat für sowas nämlich gar keine Kohle. Der steht kurz vor dem Bankrott. Das weiß ich von meinen Eltern.«
»Doch, ich schwör’s«, verteidigte sich Peppi. »Ich war dabei, als er ihn gekauft hat. In bar hat er gezahlt und ihn dann gleich mitgenommen. Das Teil steht jetzt oben im Hexenkessel.«
Morell, der gerade überlegte, wie er die vier randvollen Tassen am besten transportieren konnte, ohne sich und andere mit der brühheißen Flüssigkeit zu verbrennen, war hellhörig geworden. »Was kostet so ein Schlitten denn?«, fragte er.
Der Junge, der sichtlich froh war, dass zumindest irgendwer sich für seine Story interessierte, nickte geschäftig. »Achttausend. Mindestens. Ich sag nur Viertaktmotor, E-Start, Hand- und Daumenwärmer.«
»Interessant.« Morell nahm zwei Tassen in jede Hand und balancierte sie zu den anderen. Woher Rainer wohl plötzlich so viel Geld hatte?
»Da bist du ja.« Valerie nahm ihm zwei Tassen ab und reichte sie an Leander und Nina weiter. »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr und lässt mich mit den beiden Streithammeln allein«, flüsterte sie.
»Was ist eigentlich los?«, flüsterte Morell zurück.
»Ich weiß nicht. Sie hatten sich gerade beruhigt, aber dann sind zwei so komische Frauen vorbeispaziert.«
»Aha. Und was war mit denen?«
»Ich weiß nicht. Sie haben Leander erst zugewinkt, dann verschwörerisch gezwinkert und sind dann wieder verschwunden. Er bestreitet, dass er sie kennt, aber Nina nimmt ihm das nicht ab. Und ich, wenn ich ehrlich bin, auch nicht. Kannst du nicht mal mit ihm reden? So von Mann zu Mann?«
Morell warf einen Blick auf Leander, der mit dem Fuß im Schnee herumscharrte und seinen Glühwein viel zu schnell trank. Jetzt hatte er nicht nur Mord und Sport, sondern auch noch fremde Beziehungsprobleme am Hals. »Soll ich uns noch eine Runde Glühwein holen?«
Fünf Runden später machten sich die vier, schon recht wacklig auf den Beinen, auf den Weg zurück.
»Na, die Damen?!« Ein stämmiger Rentner mit einem Zwirbelbart witterte ein gutes Geschäft. »Kommen Sie ruhig näher und schauen Sie sich meine Cremes an. Alle ganz natürlich und ohne Konservierungsstoffe. Für alle Hauttypen und in allen möglichen Düften.«
Valerie nahm Nina an der Hand und wollte sie zu den Tiegelchen und Döschen ziehen, doch Nina winkte ab. »Ich benutze seit Jahren dieselbe Gesichtscreme und bin total zufrieden damit. Und mit dem Rest kann ich nichts anfangen.«
»Echt?«, wunderte sich Valerie. »Du nimmst keine Handcreme oder Bodylotion?«
»Ich hasse Bodylotion. Da fühle ich mich immer wie ein glitschiger Fisch. Gar nicht mein Ding. Komm, wir holen uns lieber eine Portion gebrannte Mandeln für den Heimweg.«
Leander schaute den beiden Frauen hinterher und musste sich schwer zusammenreißen, um nicht laut loszufluchen. »Gehen wir«, sagte er zu Morell. »Ich habe den Weihnachtsmarkt gehörig satt.«
28
Patrick schreckte im Bett hoch, als er ein Geräusch an der Tür vernahm. Kratzen. Scharren. Ihm blieb beinahe das Herz stehen. Da! Da war es schon wieder. Direkt an seiner Tür. Das konnte nur einer sein – der Tatzelwurm! Er war gekommen, um seine Schuppe wiederzuholen und ihn dafür zu bestrafen, dass er sie genommen hatte.
Panisch rannte er zum Fenster und schaute hinaus. Unten lag sicher ein Meter Schnee – trotzdem war es zu hoch, um zu springen. Erneut. Kratzen. Scharren. Schleifen. Gleich. Gleich würde er hereinkommen und ihn holen.
Er verfluchte seine Mutter, die ihm nicht erlaubte, einen Schlüssel für sein Zimmer zu besitzen. Er konnte also nicht absperren. Konnte sich nicht einschließen. Sich nicht vor der Außenwelt schützen.
Wie ein gehetztes Tier sah er sich um, lief dann zum Bett und kroch darunter. Mit geschlossenen Augen presste er sich so nah an die Wand wie möglich. Dabei war sein Herzschlag so laut, dass man ihn sicher bis tief in die
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