Neumond: Kriminalroman (German Edition)
ausstehen kann?«
»Schau mal, da vorne. Der kleine Stand sieht doch ganz nett aus«, versuchte Valerie, die Stimmung zu retten. »Da gibt es Glühwein und Ofenkartoffeln. Mit viel Crème fraîche.«
»Vier mal Glühwein? Die Runde geht auf mich.« Morell entschied, sich nicht unterkriegen zu lassen und das Beste aus dem Abend zu machen. Er würde jetzt die anderen abfüllen und sich somit für morgen seine Freiheit erkaufen.
»Gern, ich kann jetzt gut einen vertragen«, machte Nina endlich den Mund auf.
»Ich auch«, schlossen Leander und Valerie sich an.
Morell schlenderte also zu der kleinen Punschhütte und wurde dabei von drei Teenagern überholt. »Nochmal, Kathi«, riefen sie einem hübschen blonden Mädchen zu, das ungefähr in ihrem Alter war und hinter der Theke arbeitete. »Nochmal ›Last Christmas‹!«
Noch bevor Morell Einspruch erheben konnte, hatte Kathi bereits auf den Play-Knopf der Stereoanlage gedrückt. »Laaast Chriiistmaaas, I gave you my heart …«, dröhnte es erneut aus den Boxen. »But the very next day, you gave it away …«
Er würde sonstwas weggeben, um diesen Mist nicht mehr hören zu müssen. Aber wie jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit gab es vor dem Lied kein Entrinnen. Man sollte George Michael wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit verklagen.
»Vier Glühwein bitte«, rief er Kathi zu, als er an der Reihe war.
Sie nahm vier Häferln, schaute in den großen Glühweintopf und schenkte ihm dann ein unsicheres Lächeln. »Einen kleinen Moment bitte. Ich muss schnell neuen machen. Ist aber gleich fertig.«
»Kein Problem. Mach dir keinen Stress. Ich warte hier solange.« Er beobachtete, wie sie Wein in den Topf goss und war erleichtert, dass er aus Flaschen und nicht aus Tetrapackungen kam. Dann nahm er mit einem wohlwollenden Nicken zur Kenntnis, dass sie echte Nelken und Zimtstangen dazugab. Es schien, als hätten sie den besten Stand ausgesucht. Sauber, nett, und der Glühwein schien halbwegs qualitativ zu sein. Einzig die Musik nervte, war aber wahrscheinlich im Gegensatz zu Hüttenkrachern à la DJ Ötzi und Konsorten noch harmlos.
Während der Glühwein sich langsam aufheizte, lehnte Morell an der Theke und beobachtete den Strom aus Mützen und Schals, der zwischen den Punschhütten und kitschigen Kunsthandwerkständen durch floss. Die meisten Leute waren so dick eingepackt, dass das Einzige, was man von ihnen sah, rote Wangen und Nasen waren – ob nun von der Kälte oder vom Alkohol, war mal dahingestellt.
Seine aufkeimende Gelassenheit wurde unsanft von zwei pickeligen Teenager-Jungs im Keim erstickt, die ihn erst grob anrempelten und sich dann lässig an ihm vorbeiquetschten.
»Sorry«, nuschelte einer der beiden in das flaumige Ding auf seinem Kinn, das wahrscheinlich ein Bart sein sollte.
Der andere ignorierte Morell völlig, da er nur Augen für die hübsche Kathi hatte. »Zwei Glühis«, gab er sich betont cool und rückte seine Mütze so zurecht, dass eine Strähne orange-gefärbter Haare in seine Stirn fiel.
»Gleich!« Kathi ging in den hinteren Teil der Punschhütte, um frische Häferln zu holen, wobei ihr beide Jungs mit großen Augen auf den Hintern stierten.
Morell konnte die Hormone förmlich riechen.
Als Kathi sich wieder umdrehte, zündeten beide Jungs sich synchron eine Zigarette an und zogen extra lässig daran. »Na wie läuft’s?«, fragte der mit der orangen Strähne.
»Viel zu tun.« Kathi drehte sich wieder um und befüllte die Geschirrspülmaschine.
Sofort hörten die Jungs auf zu rauchen, hielten ihre Zigaretten einfach nur in der Hand und ließen sie langsam abbrennen.
Schmunzelnd beobachtete Morell das Szenario weiter.
»Ich hab’ heute den Sepp Rainer im Sportshop getroffen«, sagte der mit der orangenen Strähne so laut, dass Kathi es auf jeden Fall hören musste. »Er hat sich grad ein cooles neues Schneemobil gekauft. Das neue Yamaha RX Warrior. 150 PS . Voll das geile Teil.« Als Kathi, die gerade frischen Glühwein in Tassen schöpfte, ihn anschaute, zog er erneut an seiner Zigarette. Dabei kam Rauch in seine Augen, und er versuchte angestrengt, ihn wegzublinzeln.
Morell konnte ein kurzes Lachen nicht unterdrücken.
»Er hat gemeint, ich kann auch mal damit fahren. Das wird megasteil, sag ich dir. Vollspeed durch die Gegend schrammen und so. Yeah.«
Kathi lächelte gequält und stellte Morell seine vier Glühwein hin. »Vierzehnachzig bitte. Und es ist jeweils ein Euro Einsatz.«
»Wenn du willst, kannst
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