Neumond: Kriminalroman (German Edition)
kommt sicher öfter vor.«
»Lass uns trotzdem mal kurz nachschauen, was passiert ist – nur falls der Herr Eisle vom Verleih trotz deiner CD anfangen will herumzudiskutieren. Dann sind wir vorbereitet und können besser argumentieren.« Nina kniete sich hin und untersuchte die Bruchstelle. »Komisch«, sagte sie. »Schau dir das mal an.«
»Was ist?« Leander ging neben ihr in die Hocke.
»Siehst du das?« Sie zeigte auf die Stelle, an der die Kufe gebrochen war.
Er zog seinen Handschuh aus und fuhr mit den Fingern über das Holz. »Die Bruchstelle ist ganz glatt. Sieht fast so aus, als wäre die Kufe angesägt worden.«
»Aber wie kann so etwas passieren?«
»Ich glaube, nicht wir müssen Herrn Eisle etwas erklären, sondern er uns.« Leander schnappte sich den Schlitten und lief zur Verleihstation.
50
Hoffentlich war dem Jungen nichts passiert! Morell lief in sein Zimmer und holte sein Handy. Den anonymen Brief verstaute er schnell in einer durchsichtigen Plastiktüte, die er im Bad gefunden hatte, und steckte ihn ein. Auf dem Weg zurück zur Lobby rief er bei Nina an.
»Wir haben ein Problem und zwar ein großes. Ich bin bedroht worden, und der Junge ist verschwunden.«
»Der Junge? Mein Gott, was ist passiert? Und wer hat dich …«
»Keine Ahnung. Hier geht gerade alles drunter und drüber. Ich weiß nicht, ob die beiden Vorfälle zusammenhängen, oder ob er einfach nur weggelaufen ist. Mein Kopf tut weh, meine Schultern tun weh, eigentlich tut mir mein ganzer Körper weh. Ich bin völlig kaputt und habe null Hirnkapazität.«
»Ich bin schon auf dem Weg, und ich werde Verstärkung mitbringen.«
»Super! Danke!«
»Und Otto … ich will dir nicht noch mehr Kopfzerbrechen bescheren, aber du solltest wissen, dass dein Schlitten wahrscheinlich angesägt worden ist.«
Morell schloss die Augen und massierte seine Nasenwurzel. Die Situation wuchs ihm gerade völlig über den Kopf. »Bist du sicher?«
»Absolut. Leander hat es auch gesehen. Und der Typ vom Verleih hat gesagt, dass er alle Schlitten heute Nachmittag kontrolliert hat. Das muss er wegen der Versicherung tun. Er schwört, dass alle einwandfrei beieinander waren.«
»Du glaubst also, dass jemand meinen mit Absicht angesägt hat?«
»Ich will dir keine Angst machen, aber ja, das denke ich.«
»Kruzifix!« Morell versuchte nachzudenken, aber es gelang ihm nicht. »Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich lasse mir das später durch den Kopf gehen. Wir müssen als erstes den Jungen finden. Alles andere kann warten.«
15 Minuten später standen Nina, Leander und Valerie im Enzianhof, und sie waren nicht allein: Danzer, seine Frau, Oliver und seine ganze Familie waren mitgekommen.
Tante Heidrun kümmerte sich um Anna Oberhausner, während Tante Zita und Tante Ruth hinter der Rezeption eine Art Einsatzzentrale aufbauten. Tante Erika kochte Kaffee, während Mutter Lisbeth und Tante Eveline einen Suchtrupp auf die Beine stellten.
Morell war fasziniert von der Effektivität, mit der die Schwestern arbeiteten. Innerhalb von kürzester Zeit tummelten sich mindestens 50 Menschen in der Pension. Alle waren warm angezogen, und viele von ihnen hatten Taschenlampen und Scheinwerfer mitgebracht.
»Wir bilden eine Menschenkette und durchkämmen den Wald«, berichtete Oliver. »Tante Zita bleibt solange hier und kümmert sich um das Telefon. Hier für Sie.« Er drückte Morell eine Taschenlampe in die Hand. »Wir müssen uns beeilen. Draußen ist es bitterkalt.« Er eilte hinaus.
Morell wollte ihm folgen, doch Nina hielt ihn zurück. Sie zog ihn beiseite und erzählte ihm von den Runen und was sie über Käthe Steinbichler herausgefunden hatte. »Sag mal, riechst du das auch? Hier riecht es irgendwie nach Müll«, fragte sie plötzlich und rümpfte die Nase.
»Das bin wohl ich. Mehr dazu später.«
Sie musterte ihn kurz und erzählte weiter. »Was, wenn Patrick zu viel gesehen hat? Was, wenn diese Runen eine Fluchformel waren, die nichts genutzt hat? Vielleicht hat die Alte jetzt zu härteren Maßnahmen greifen müssen.«
Morell überlegte. »Käthe Steinbichler … Ich hatte ja erst Klaus Fitz in Verdacht, den Metzger. Wegen dem Schweinekopf.« Er erzählte kurz von seinem grausigen Fund und dem Drohbrief.
Nina winkte ab. »Dann wäre dieser Fitz aber ein schöner Idiot, sich so verdächtig zu machen. Ich glaube nicht, dass er es war. So einen Schweinskopf kann man ohne Probleme kaufen oder einfach aus dem Müll klauen. Apropos
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