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Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Neumond: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Neumond: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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durch den Wald. Er musste auf den Kopf gefallen sein! Aber ja, stellte er in Gedanken richtig. Er war tatsächlich auf den Kopf gefallen.
    Die kleinen Fußspuren führten immer tiefer in den Wald hinein, und er folgte ihnen tapfer, obwohl er sich unendlich gruselte. Die Bäume und ihre knorrigen Äste und Wurzeln warfen im Mondlicht groteske Schatten, der Wind verursachte die aberwitzigsten Geräusche, und den Rest besorgte seine Fantasie: Aus den Untiefen seiner Psyche holte sie Bilder von Gnomen, Orks und anderen unheilvollen Waldbewohnern hervor. Dazu kamen die Erinnerungen an schreckliche Mordfälle, abgelegte Leichen und irre Serienkiller, die an den kläglichen Überresten seines Nervenkostüms kratzten.
    Als er in einiger Entfernung ein kleines Licht herumwandern sah, war er bereits so in seiner Gedankenwelt gefangen, dass er als erstes an ein Irrlicht dachte – jenes Licht, das Sumpfgeister verwendeten, um Menschen in die Moore zu locken und in den Tod zu führen.
    »Hallo!«, rief er, bekam aber keine Antwort. »Hallo! Ist da jemand?«
    Das Licht verschwand wieder, und er war sich nicht sicher, ob es tatsächlich real gewesen war, oder ob er es sich nur eingebildet hatte.
    Mit schnellen Schritten lief er auf die Stelle zu, wo er es gesehen hatte. Dabei achtete er nicht auf den unebenen Boden, stolperte und knallte längs auf den Boden.
    »Einen Euro pro Sturz«, murmelte er mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Nur einen Euro. Dann beende ich diesen Urlaub als reicher Mann.«
    Vor lauter Lamentieren hörte er die Schritte nicht, die auf ihn zukamen.

51
    Nina stoppte den Wagen und schaltete die Scheinwerfer aus. Im Dunkeln war Käthe Steinbichlers windschiefes Hexenhäuschen noch um Welten unheimlicher als am Tag. Dadurch, dass es hier draußen keine Straßenbeleuchtung gab, war der dürre Mond die einzige Lichtquelle, und jedes Mal, wenn eine Wolke sich vor ihn schob, verschwand das Haus in der Schwärze der Nacht – fast so, als hätte es sich eine Tarnkappe angezogen.
    Sie fröstelte und spürte, wie eine Gänsehaut über ihren Rücken kroch. Das größte Grauen verbarg sich immer noch in den Dingen, die man nicht sah, denn die Fantasie der Menschen übertraf die Realität oft bei weitem.
    Leander hatte gesagt, er würde gleich losfahren. Wie lange konnte es denn noch dauern, bis er hier war? Nina ließ den Motor laufen und drehte die Heizung auf die höchste Stufe. Trotzdem wollten das Frösteln und die Gänsehaut nicht verschwinden.
    Im Haus brannte kein Licht. War die alte Frau gar nicht daheim? Oder war sie vielleicht im Keller oder im Wald unterwegs? Hoffentlich vertrödelte sie hier im Auto keine wertvolle Zeit. Wenn es um Leben und Tod ging, war jede Sekunde kostbar.
    Nervös trommelte sie mit den Fingern auf das Lenkrad. Wo blieb Leander denn? Sollte sie vielleicht doch alleine hineingehen? Noch bevor sie sich entscheiden konnte, wurde die Fahrertür so heftig aufgerissen, dass Nina beinahe das Herz stehen blieb.
    »Sie! Was tun denn Sie schon wieder hier? Mitten in der Nacht?«
    Nina war so erschrocken, dass sie kein Wort herausbrachte. Mit rasendem Herzen starrte sie in das furchige Gesicht von Käthe Steinbichler, die mit wirrem Haar und geröteter Nase vor ihr stand.
    »Langsam fühle ich mich verfolgt.«
    Eiskalte Luft strömte durch die offene Tür ins Innere des Autos und löste Ninas Schreckensstarre. »Wo ist der Junge?«
    »Der Junge?«
    »Wo ist Patrick Oberhausner?«
    »Patrick Oberhausner?«
    »Er ist verschwunden.«
    »O nein!« Käthe Steinbichler schlug die Hände vor den Mund. Dabei glitt ihr etwas aus der Hand und fiel mit einem leisen ›tock‹ in den Schnee. »Patrick. Ich hab’s gewusst. Ich hab’ gewusst, dass er in Gefahr schwebt. Die Geister haben es mir gesagt.«
    »Wo ist er?«, wiederholte Nina und stieg aus. Dabei stieß sie an das Ding, das der alten Frau aus der Hand gefallen war. Es war so düster, dass sie zweimal hinsehen musste, bis sie begriff, dass es sich dabei um einen Spaten handelte. »O mein Gott. Was haben Sie mit ihm gemacht?«
    »Nichts. Gar nichts.« Steinbichler wollte sich bücken und den Spaten aufheben, doch Nina fasste sie am Arm und hielt sie davon ab.
    »Was haben Sie mit ihm gemacht? Er ist doch nur ein Kind. Ein harmloses Kind.« Ihr ganzer Körper bebte. »Sie sind ja irre. Sie sind ja völlig irre.«
    Scheinwerfer durchbrachen das Dunkel, als Leander endlich angefahren kam. Er stellte sein Auto neben den beiden Frauen ab und stieg aus.

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