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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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ab.
    Klarisse seufzte leise. Sie lehnte ihren Rücken gegen die Wand, genau zwischen Haustür und Wohnzimmerfenster, und sah in den schwarzen Himmel hinauf. Über den Häusern gegenüber hing groß und voll und in einem zarten Goldton glänzend der Mond und lächelte ihr ins Gesicht.
    »Wie schön du bist«, wisperte der Tod.
    Er stand ganz plötzlich neben ihr, sah sie an und lächelte. Sein Gesicht war schneeweiß und seine Augen so schwarz wie Kohle. Er war wunderschön, und obwohl er ihm bis auf das dunkle Mal über der Oberlippe glich, war er noch schöner als Rouben – er war der absolute Wahnsinn!
    Klarisse atmete tief durch.
    »Verrätst du mir deinen Namen?«, fragte sie kühl.
    »Ich heiße Vincent.«
    »Hübsch.«
    Lächelnd entblößte Vincent eine Reihe makelloser Zähne. »Freut mich, dass er dir gefällt.«
    Klarisse nickte. »Und jetzt?«, fragte sie. »Was passiert jetzt?«
    Vincent zuckte die Achseln. »Heute ist Vollmond«, sagte er harmlos.
    Klarisse lächelte ebenfalls. »Das ist nichts Neues«, erwiderte sie. »Neu wäre es, mir zu beweisen, dass du zumindest für mich nicht gefährlich bist.«
    Vincent hob die Augenbrauen. »Insbesondere heute.«
    Er war mittlerweile so dicht an sie herangetreten, dass ihre Schultern sich berührten. Klarisse richtete ihren Blick fest in seine Augen. Vincents Iris hatte kein Muster, sie war einfach nur glatt und schwarz und von der Pupille nicht zu unterscheiden.
    »Ich könnte weglaufen«, sagte sie leise.
    Vincent schüttelte den Kopf. »Könntest du nicht.«
    »Du bist schneller als ich?« Klarisses Frage klang eher wie eine Feststellung.
    »Mhmm. Und stärker.«
    »Ich könnte dir also auf keinen Fall entkommen?«
    »Nein, auf gar keinen Fall. Und um dich aufzuhalten, müsste ich dich nicht einmal berühren.«
    Klarisses Herz ließ einen Schlag aus. »Sondern?«
    »Soll ich es dir zeigen?«
    Sie zögerte. Sie wollte sich keine Blöße geben, aber auch kein unnötiges Risiko eingehen. »Tut es … sehr weh?«, fragte sie.
    Wieder entblößte Vincent seine Zähne. »Hast du Angst?«
    »Ich will nicht sterben«, erwiderte sie schlicht. »Noch nicht.«
    »Vielleicht hättest du dir das ein wenig früher überlegen sollen …«
    Ein leises, kaltes Brieseln raste über ihre Haut. Es war nicht unangenehm.
    »Du hast gesagt, dass du dich nur um die kümmerst, die dem Tod geweiht sind.«
    Vincent nickte. »Logisch.«
    »Und du hast auch gesagt, dass ich nicht dazugehöre.«
    »Ja.« Er wandte den Blick ab, sah zum Himmel, so dass sich das Licht des vollen Mondes in seiner schwarzen Iris spiegelte. »Aber diese Dinge ändern sich von Minute zu Minute.«
    »Ich – will – nicht – sterben«, wiederholte Klarisse und betonte jedes einzelne Wort.
    »Ich weiß«, sagte Vincent sanft. »Und ich will auch nicht, dass du stirbst. Aber dir soll klar sein, mit wem du es zu tun hast.«
    Er hatte die letzten Worte noch nicht ausgesprochen, da spürte Klarisse eine eisige Kälte, die ihr plötzlich unter die Kleider kroch und ihre Muskeln schlagartig lähmte. Kleine hauchfeine Wölkchen, die vor ihrem Gesicht aufstiegen, machten ihren stoßenden Atem sichtbar. Sie hätte weglaufen müssen, aber sie wollte nicht. Und wenn sie es gewollt hätte, wäre sie nicht in der Lage dazu gewesen. Es war irrsinnig, wie ein Rausch, der nie vorbeigehen sollte.
    »Ich werde dich nicht gehen lassen«, sagte Vincent. »Egal, wo du bist, was du auch tust, du wirst mir nicht entkommen.«
    Klarisse nickte, so gut es ging. »Das will ich auch gar nicht«, hörte sie sich stammeln. »Ich will …«
    »Ich weiß, was du willst«, unterbrach Vincent sie. Er legte ihr den Arm um den Nacken und zog ihr Gesicht sanft zu sich heran. »Du wirst meine Kälte nicht spüren, das verspreche ich dir.«
    Er sah ihr tief in die Augen, und Klarisse versank in seinem schwarzen Blick. Das flammende Rot in seinen Pupillen bemerkte sie erst, als seine Lippen ihre Haut berührten.

14
    Ich denke ihren Namen.
    Jolin. Jolin. Jolin. Jolin …
    Ich denke ihn ununterbrochen.
    Ich sehe sie nicht an, halte sie fern mit meiner Kälte, die ich inzwischen in allen Abstufungen erzeugen kann, und denke nur:
    Jolin. Jolin. Jolin. Jolin …
    … und hoffe so sehr, dass sie den nächsten Morgen noch erleben wird.
    Jolin kauerte in der Ecke des Ballonkorbs. Sie hatte die Decke fest um ihre Schultern gezogen und hielt den Blick unverwandt auf Rouben geheftet. Sie war still, ganz still. Innen und außen, so still wie nie

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