Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
es passiert, ist diese Liebe einzig und allein an diesen einen Menschen gebunden. Für mich, Vincent oder dessen Vater hat meine Mutter nie etwas Vergleichbares empfunden.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, erwiderte Jolin. Sie war neben Rouben in die Hocke gegangen und ließ ihre Hand über den Schneeglöckchenteppich gleiten. »Ich glaube sogar, dass ich es besser weiß. Wenn Ramalia dich nicht geliebt hätte, hätte sie dich getötet und nicht über siebzehn lange Jahre vor den Vampiren versteckt gehalten.«
»Das tat sie sicher nicht um meinetwillen«, sagte Rouben, »sondern nur, weil ich eine Frucht ihrer Liebe zu meinem Vater gewesen bin. Sie hätte mich niemals getötet, weil sie Harro das niemals hätte antun können.«
»Trotzdem«, beharrte Jolin. »Ich bin sicher, dass sie Vincent und dich geliebt hat. Auf ihre vielleicht sehr spezielle Weise. Ich würde sogar schwören, dass nicht Harro der Grund war, weshalb sie wollte, dass du die Prophezeiung erfüllst …«
Rouben sah sie mit offener Neugier an. »Sondern?«
»Aus einem Gefühl der Gerechtigkeit«, sagte Jolin.
»Das verstehe ich nicht«, entgegnete er. »Was soll denn daran gerecht sein, wenn man einen seiner Söhne bevorzugt? Nicht, dass ich nicht unendlich dankbar dafür wäre, dass sie das für mich getan hat«, setzte er leise hinzu und ließ seine Fingerspitzen flüchtig über Jolins Wange streichen.
»Aber das hat sie nicht«, widersprach sie. »Ramalia hat dich nicht bevorzugt. Sie wollte nur, dass du eine Existenz hast. Damals hat sie mir gesagt, dass es Vincent in der Dunkelheit besser geht als dir im Zwielicht. Und deshalb war es in ihren Augen nur gerecht, dass du in die menschliche Welt herüberkamst und nicht er.«
Um Roubens Mundwinkel spielte ein skeptischer Zug. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Ich hätte um keinen Preis mit ihm tauschen wollen.«
Jolin sah ihn an. »Kann es sein, dass das mit mir zu tun hat?«
»Es hatte und hat immer alles nur mit dir zu tun«, sagte er.
»Aber wenn du ein Vampir gewesen wärst, hättest du mich vielleicht gar nicht getroffen …«
Rouben fuhr ihr mit der Hand durch die Haare und umfasste eine Strähne in ihrem Nacken. »Ich hab dich aber getroffen«, sagte er rau. Seine Augen wurden schmaler, und seine Pupillen verdunkelten sich. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer es für mich gewesen ist, mich von dir fernzuhalten, dich immer nur anschauen zu dürfen … Es ist ein solches Verlangen gewesen, eine so tiefe Sehnsucht …«
Jolin starrte ihn an, und wieder einmal bekam sie kaum noch Luft. »Ich weiß, du hast es mir ja schon erklärt …«, hauchte sie.
»Gar nichts weißt du«, erwiderte Rouben, während er mit der einen Hand die Strähne in ihrem Nacken nun fest umschloss und die Finger der anderen die Konturen ihres Gesichts nachzeichneten. »Das unbändige Verlangen ist verschwunden, aber die Sehnsucht in mir ist geblieben. Sie zerreißt mich geradezu, wenn ich allein in unserem Haus bin, und sie bringt mich erst recht um den Verstand, sobald du bei mir bist und ich deine Wärme und deinen Duft spüre. Ich will mir gar nicht vorstellen, was ich mit dir gemacht hätte, wenn ich dir in der Eigenschaft eines echten Vampirs begegnet wäre.«
»Ich nehme an, du hättest mich auf der Stelle umgebracht.«
Jolin wollte der Situation durch diesen Scherz ein wenig die Ernsthaftigkeit nehmen, doch das schien Rouben nicht zu realisieren. Er ließ seinen Blick einem Heißluftballon folgen, der die Stadt von Süden nach Norden überquerte. Schließlich wandte er sich wieder Jolin zu und lächelte gequält. »Ich hätte niemals in deinen Augen baden können …«, flüsterte er, »… nie deinen Atem auf meiner Haut oder die Süße deiner Lippen auf meinen gespürt. Vor allem aber hätte ich niemals erfahren, wie es sich anfühlt, was Menschsein bedeutet, frei zu sein, einen warmen Herzschlag zu haben, lachen und weinen und so sehr lieben zu können …« Sein Blick glitt über ihren Mund und das Kinn bis zu ihrem Hals hinunter. »Es ist wahr, an Vincents Stelle hätte ich dich sofort umgebracht. Ich hätte dir meine Zähne in die Hauptschlagader gebohrt und dich bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken. Wahrscheinlich wäre es ein unvergleichliches Vergnügen gewesen, aber natürlich viel zu schnell vorbei.« Langsam hob er seinen Blick und versenkte ihn wieder in ihre Augen. »Das ist aber nicht das, wovon ich träume und wonach ich mich sehne, Jol … Ich könnte es
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