Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
ihr hin. »Ich liebe Jolin Johansson. Das ist dieses wunderschöne blonde Mädchen hier vor Ihnen!«, rief Rouben. »Ich liebe sie über alles!«
Ein Raunen ging durch das Abteil. Jolin hob den Blick und sah, dass einige von den Leuten, die eben noch blass und müde wirkten, nun strahlende Augen und ein Lächeln auf dem Gesicht hatten. Einige tuschelten miteinander, manche lächelten sie an, und ein junger Türke, nicht viel älter als sie, hob lachend den Daumen und zwinkerte ihr zu.
So einfach war das also.
»Nächste Woche fahre ich mit einem Megaphon durch die Stadt«, sagte Rouben, nachdem Jolin das Handy wieder gegen ihr Ohr gedrückt hatte.
»Untersteh dich!«
»Für dich würde ich noch ganz andere Dinge tun.«
»Ach, Rouben«, seufzte Jolin. »Ich wünschte wirklich, du …«
Er ließ sie nicht ausreden. »Bei allem, was ich tue, denke ich immer nur an dich«, sagte er. »Du bist in meinen Gedanken und in meinem Herzen, bis ich einschlafe. Und sobald ich eingeschlafen bin, träume ich von dir. Ich bin wirklich immer bei dir, Jol.« Er seufzte ebenfalls. »Trotzdem kann ich es kaum erwarten, dich morgen früh endlich wieder in die Arme zu nehmen. Ich warte vor dem Haus auf dich. Bitte sei pünktlich, ja?«
Jolin war pünktlich. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugekriegt und sah schrecklich aus. Zum Glück war Paula ganz gegen ihre Gewohnheit noch nicht auf gewesen, als Jolin in die Küche kam. Und Gunnar war wie fast immer schon längst aus dem Haus.
Jolin hatte ein Glas Milch getrunken und etwas Obst eingesteckt. Sie war in ihren Mantel geschlüpft und die acht Treppen bis ins Erdgeschoss hinuntergestürzt.
Rouben hatte eine Lücke direkt vor der Tür gefunden. Er lehnte an seinem Wagen und lächelte sie an.
»Rouben, wir müssen wirklich reden!«, platzte Jolin heraus.
»Schsch«, murmelte er und küsste sie sanft. Dann schloss er seine Arme um sie und drückte sie an sich. Sein Gesicht sank in ihre Halsbeuge, und sein warmer Atem drang in den Ausschnitt ihres Pullis und rieselte über ihre Haut.
»Ich will dich nicht verlieren«, wisperte Jolin. »Niemals.«
Ihre Hände fuhren über seinen Rücken.
»Du wirst mich nicht verlieren«, flüsterte Rouben. »Niemals.«
Er sagte es voller Überzeugung, und trotzdem klang es zum ersten Mal so, als ob er seinen eigenen Worten nicht traute.
Jolin zwang sich, nicht darüber nachzudenken, sondern versuchte sich einzureden, dass sie mittlerweile an jeder Ecke die Flöhe husten hörte. Sie ging Leo, der seinerseits ebenfalls gebührend Abstand hielt, sie allerdings nicht aus den Augen ließ, aus dem Weg, konzentrierte sich auf den Unterricht und hockte in den Pausen mit Anna zusammen, um Ideen für das Wipo-Projekt zu sammeln und aufzuschreiben.
»Puh, ich hab mir das echt leichter vorgestellt«, sagte Anna nach der Biostunde. »Ich schlage vor, wir telefonieren heute oder morgen noch mal. Bis spätestens Freitag muss uns etwas eingefallen sein, sonst hinken wir den anderen total hinterher.« Sie wandte sich Rouben zu, der gerade hinter sie getreten war. »Da hast du uns vielleicht was angetan.«
»Tut mir leid«, meinte er und kniff die Mundwinkel ein. »Jolin hätte auch nein sagen können, dann wäre ich jetzt gezwungenermaßen wieder mit im Boot.«
»Na, du hast vielleicht eine Arbeitsmoral«, erwiderte Anna grinsend. Ganz offenbar war sie ihm nicht böse, obwohl sie wirklich allen Grund dazu gehabt hätte.
… ein Wesen von besonderer Gabe …
»Du könntest dir ja vielleicht trotzdem Gedanken machen«, erwiderte Jolin. »Dann hättest du die Verantwortung zumindest nicht ganz abgegeben.«
»Ich gebe die Verantwortung nie ab«, entgegnete Rouben mit ernster Miene.
Jolin spürte einen feinen Stich in der Brust. Sie wusste ja selber nicht, warum sie das gesagt hatte. Ihre Bemerkung war alles andere als fair gewesen. Außer ihrem Vater fiel ihr in der Tat niemand ein, der sich so verantwortungsbewusst verhielt wie Rouben. »Es tut mir leid«, sagte sie so leise, dass man es eigentlich kaum hören konnte.
»Schon gut«, murmelte Rouben ihr von hinten ins Ohr. Er legte den Arm um ihre Taille und küsste ihre Haare.
… ein Wesen von besonderer Gabe …
Anna verdrehte die Augen. »Ihr seid wirklich schrecklich …«
»Was?«, fragte Rouben lachend. »Verliebt?« Er küsste Jolins Haar noch einmal. »Da könntest du recht haben.«
Anna lachte ebenfalls. »Okay, die Frage, ob du heute wieder mit der Bahn nach Hause fährst, kann ich
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