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Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)

Titel: Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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kümmern.
    »Machen Sie sich gelegentlich auch mal Gedanken um Ihre Mitmenschen?«, fragte Anna zwei elegant gekleidete Damen, die neben ihren ledernen Einkaufsshoppern die exklusiven Falttüten einer Designerboutique über der Schulter trugen.
    »Was ist denn das für eine Frage?«, erwiderte eine von ihnen und musterte Anna kopfschüttelnd von oben bis unten. Ihre dunkelblonde Föhnfrisur umrahmte ihr kantiges Gesicht wie ein Helm, außerdem verströmte sie den Duft eines blumigen Parfüms, der überhaupt nicht zu ihrer herben Erscheinung passte.
    Das ist die Falsche, dachte Jolin.
    Doch Anna war offensichtlich anderer Ansicht. Jedenfalls ließ sie nicht locker und hielt der Frau einen Flyer entgegen. »Vielleicht lesen Sie sich das einmal durch … nachher bei einer schönen Tasse Kaffee?«, meinte sie und lächelte die Dame offen an.
    Ihre etwas untersetzte Begleiterin, die einen leuchtend grünen Blazer trug, zupfte sich die kurzen, schwarz gefärbten Ponysträhnen zurecht. »Müssen wir uns das sagen lassen?«, fragte sie und drängte sich an Anna vorbei. »Wir haben doch wahrlich schon genug gespendet. Für die Hungernden in Afrika, die Erdbebenopfer in Haiti, die überfluteten Regionen Indiens …«
    »Wir wollen gar kein Geld von Ihnen«, unterbrach Anna sie freundlich, aber bestimmt. »Sondern nur Ihre Unterschrift.«
    »Ach ja?« Die Dunkelblonde runzelte die Stirn. »Und wofür, bitte schön?«
    »Also, ich unterschreibe gar nichts«, sagte die andere. »Hinterher bist du Mitglied in irgendeiner dieser Organisationen, die vorgeben, sich für Tierschutz oder vernachlässigte Kinder einzusetzen, aber in Wahrheit alles für sich behalten.«
    »Wir wollen wirklich kein Geld«, wiederholte Anna. »Obwohl wir das natürlich auch gebrauchen könnten«, fügte sie schulterzuckend hinzu. »In erster Linie geht es jedoch tatsächlich um Verhinderung von Vernachlässigung. Und zwar um die Vernachlässigung von Menschen in unserer Stadt. Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, die in hässlichen Containern oder heruntergekommenen Wohnungen leben …«
    »Aber für die zahlen wir ja nun weiß Gott auch schon genug!«, empörte sich die Schwarzhaarige. »All das regelt der Staat über die Steuergelder. Wie Sie selber es eben bereits sagten.« Sie funkelte Anna zornig an und nickte dann ihrer Begleiterin zu. »Komm, Rosemarie, es ist so ein schöner Tag heute. Ich finde, wir müssen uns das nun wirklich nicht mehr länger anhören.« Sie hakte sich bei der Dunkelblonden unter und wandte sich in Richtung Passage um, aber Anna trat den beiden erneut in den Weg.
    »Es stimmt«, sagte sie. »Heute ist ein wundervoller Tag. Und es wäre doch schön, wenn alle Menschen in unserer Stadt zufrieden wären und ihn genießen könnten, nicht wahr?« Noch einmal hielt sie den Damen das Faltblatt hin. »Bitte lesen Sie sich unseren kleinen Flyer doch in Ruhe durch. Und wenn Sie mögen, unterschreiben Sie später, wenn Sie von Ihrem Einkaufsbummel zurückkommen.«
    Die Dunkelblonde schloss genervt die Augen, um sie gleich darauf wieder zu öffnen. »Warum sagen Sie uns nicht einfach, worum es geht«, erwiderte sie.
    »Das mache ich sehr gern«, gab Anna zur Antwort und holte einmal tief Luft, bevor sie mit einer Erklärung ansetzte. »Wir sammeln Unterschriften für Familien, die aus den Containern abgeschoben werden sollen …«
    Die Dunkelblonde spitzte die rot geschminkten Lippen. »… in ihr Heimatland?«
    »Nein.« Anna schüttelte den Kopf. »Einfach auf die Straße.«
    »Weil sie kein Geld haben, ihre Unterkunft zu bezahlen?«, vergewisserte sich die Schwarzhaarige mit einem Anflug von Genugtuung in der Stimme. Hab ich es dir nicht gleich gesagt?, schien der Blick auszudrücken, den sie ihrer Bekannten zuwarf.
    »Das ist nicht der Punkt«, erwiderte Anna geduldig. »Die Finanzierung ihrer Unterkunft ist eigentlich Teil der Sozialleistungen, die ihnen zustehen und die auch Sie …«, sie lächelte die Damen eindringlich an, »… mit Ihren Steuergeldern und Versicherungsbeiträgen unterstützen. Aber gerade weil Sie das tun, müssten Sie doch eigentlich auch ein Interesse daran haben, dass diese Mittel korrekt eingesetzt werden.«
    »Da haben Sie vollkommen recht«, sagte ein Mann, der vor einer ihrer Plakatwände stehen geblieben war. Er hielt seine Hände auf dem Rücken verschränkt und betrachtete über den Rand seiner schmalen Brille hinweg die Stadtcollage, während er gleichzeitig aufmerksam

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