Neumondkuss: Ein Vampirroman (German Edition)
Hand die fotografische Stadtbildpräsentation betrachtete.
Jolin nickte. »Man müsste sie in freundlichen Farben streichen und kleine Vorgärten anlegen …«
»Das ist eine sehr gute Idee!«, pflichtete ihr die Dunkelblonde bei. »Vielleicht könnte man dafür sogar eine kleine Spendenaktion initiieren.«
Jolin unterdrückte ein Grinsen. Allmählich begann ihr die Sache richtig Spaß zu machen.
»Stellen Sie sich vor, wir haben sogar schon etwas vorbereitet«, sagte Leo und tippte auf eine Schlitzdose aus orangerotem Emailblech.
Die Dunkelblonde tätschelte dem Mann mit den Geheimratsecken die Schulter. »Diese jungen Leute sind wirklich pfiffig«, sagte sie. »Wir sollten sie tatkräftig unterstützen. Oder was meinen Sie?« Seine Antwort schien sie allerdings nicht wirklich zu interessieren, denn sie hatte bereits ihren Einkaufsshopper geöffnet und eine schmale Geldbörse aus feinem türkisfarbenem Leder zutage gefördert.
»Wir planen sogar einen speziellen Aktionstag«, erzählte Anna nun. »Den genauen Termin werden Sie unserer Lokalpresse entnehmen können. Wir wollen die Container streichen, Gras einsäen, Büsche pflanzen und Blumenkübel aufstellen«, fuhr sie erläuternd fort. »Jeder kann sich daran beteiligen, durch Geld- oder Sachspenden oder auch gern durch seine Mitarbeit.«
»Wir wünschen uns, dass die Menschen in unserer Stadt zusammenwachsen, dass sie ihre Augen nicht verschließen, sich füreinander verantwortlich fühlen und einander helfen«, fügte Jolin hinzu. »Und wenn jeder einigermaßen zufrieden leben kann, wird auch die Kriminalitätsrate sinken.«
»Was im Übrigen ein ganz entscheidender Faktor ist«, mischte sich ein junger Mann ein, der sich inzwischen ebenso wie viele andere Leute zu ihnen gesellt und ihre Diskussion verfolgt hatte. »Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Vorfall vom letzten Winter, als ein langjähriger Bewohner eines der Container durchgedreht und kurz darauf eines nicht unbedingt natürlich zu nennenden Todes gestorben ist.«
Jolin lief ein kalter Schauer über den Rücken. »Woher wissen Sie davon?«, fragte sie erstaunt, denn sie konnte sich nicht erinnern, dass seinerzeit etwas über Harro Greims’ Tod in den Zeitungen gestanden hatte.
»Ich war mit seiner Bestattung befasst«, erwiderte der Mann. »Von daher habe ich mich für die Umstände interessiert. Ich habe mit einigen Leuten aus der Siedlung gesprochen und erfahren, dass jemand seinen Hund auf ziemlich bestialische Weise getötet hatte.«
Die Schwarzhaarige kniff die Augen zusammen. »Und wenn ich mich richtig erinnere, war dieser Hund auch nicht der einzige.«
Der Bestatter nickte. »Einen hat es im Stadtpark erwischt und einen zweiten …« Er schüttelte den Kopf. »So genau weiß ich das nicht mehr. Auf jeden Fall habe ich damals schon gedacht, dass man etwas unternehmen müsste, was diesen Taten, die meines Erachtens aus reiner Frustration begangen werden, etwas Nachhaltiges entgegensetzt. Insofern kann ich diese Pläne hier nur unterstützen«, fügte er voller Nachdruck hinzu, zog sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche und ließ einige Münzen in die Schlitzdose fallen.
Die beiden Damen zogen die Augenbrauen nach oben. Sie blieben starr wie die Figuren eines Wetterhäuschens nebeneinander stehen und warteten, bis der Mann einen Flyer verstaut und sich ein paar Schritte entfernt hatte, dann beugte sich die Dunkelblonde über den Tisch und wisperte Jolin zu: »Also, von uns dürfen Sie schon ein bisschen mehr erwarten. Nicht wahr, Olivia?«, fügte sie an ihre Begleiterin gewandt hinzu.
Die hatte bereits einen Hunderteuroschein aus ihrer Brieftasche genommen und so klein zusammengefaltet, dass er in den Schlitz der Dose passte. »Und anschließend wollen wir den Mantel des Schweigens darüberlegen«, raunte sie, während sie den Schein mit einem leichten Stupser in der Sammelbüchse versenkte.
Ihre Bekannte tat noch einmal den gleichen Betrag dazu, stopfte einen Stapel Infoblätter in ihren Shopper und verabschiedete sich mit den Worten: »Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht noch ein bisschen tatkräftige Unterstützung mobilisieren können. Bitte rechnen Sie fest mit unserer Teilnahme. Ich verstehe mich nämlich ganz hervorragend auf Gartenarbeit.«
»Goldig«, sagte Anna, die den beiden Damen noch eine Weile mit einem seligen Lächeln auf den Lippen hinterhergeschaut hatte. »Ich hätte nichts dagegen, wenn ich später mal so werde wie sie.«
»Bitte nicht«,
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